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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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1 Besprechungen<br />

liehen Kontext erhellt und einen optimalen bibliographischen Überblick<br />

gibt, verdeutlicht, daß „Eine ökonomische Interpretation" mittlerweile<br />

nicht mehr nur als Bèitrag zur amerikanischen Verfassungsgeschichte<br />

gelten kann, sondern daß sie zugleich als zeitgeschichtliches<br />

Dokument betrachtet werden muß. Dies nicht zuletzt deshalb,<br />

weil Beard — wie er in seinem Vorwort zur Ausgabe von 1935 vermerkte<br />

— mit seiner Verfassungsinterpretation nicht unbedingt Gesellschaftskritik<br />

implizierte. Vielmehr wollte er nur „unparteilich"<br />

(46) die ökonomischen Triebfedern der amerikanischen Verfassungsbewegung<br />

aufzeigen, ohne darüber selbst zu urteilen. Deshalb eignete<br />

sich sein Werk geradezu optimal, der Sozialreform des amerikanischen<br />

Kapitalismus im New Deal zu Legitimationszwecken zu dienen.<br />

Beards Methode und das sachliche Ergebnis, das er damit erzielt, sind<br />

durchaus ambivalent. Unbestreitbar liegt zunächst der Vorzug seines<br />

Werkes darin, daß es mit der von Generationen amerikanischer<br />

Staatsrechtler und Historiker überlieferten und tabuierten Vorstellung<br />

bricht, die amerikanische Verfassung sei einzig und allein dem<br />

staatsphilosophischen und verfassungsethischen Genius ihrer Väter,<br />

der Federalists, zu verdanken. Beard durchforstete mit ungeheurer<br />

Akribie die Archivbestände des Treasury Department und 'einschlägiger<br />

Zeitungen, um schließlich festzustellen, daß die Verfassungsväter<br />

in ihrer Mehrheit entweder Besitzer staatlicher Obligationen<br />

waren oder aber das Leih-, Handels- bzw. Industriekapital repräsentierten<br />

(z. B. 117 f.). Da all diese Formen des beweglichen Eigentums<br />

(„personalty"), das gegenüber dem Grundeigentum („realty") die<br />

dynamischere Komponente in der amerikanischen Verfassungsgeschichte<br />

darstellte, unter den Bundesartikeln der dreizehn Staaten<br />

keinen hinreichenden Schutz genossen (Moratorien zugunsten der<br />

Schuldner, Währungsverfall, Handelsrestriktionen etc.), nützten die<br />

Mitglieder des Konvents von Philadelphia diese Gelegenheit zu<br />

einem Coup d'état. Statt ihrem Auftrag gemäß nur die Bundesartikel<br />

zu revidieren, schufen sie — so eine der zentralen Thesen Beards,<br />

die er mit den „ökonomischen Biographien" der Konventsmitglieder<br />

untermauert (129 ff.) — eine völlig neue Verfassung, die den Besitzinteressen<br />

durch die Konstruktion und Konzentration der positiven<br />

Gewalten zur Entfaltung verhalf und ihnen überdies aufgrund der<br />

checks and balances als Damm gegen populistische Emanzipationsforderungen<br />

(26) und demokratische Gleichheitsbestrebungen (9) dienen<br />

konnte. Die Crux der Beardschen Interpretation besteht nun<br />

allerdings darin, daß der Autor zwar den Gegensatz zwischen beweglichem<br />

und Gruhdeigentum als ökonomische Determinante der Verfassungsbewegung<br />

herausarbeitet — ihn zugleich allerdings auch<br />

relativiert (51, 106) —, daß er aber dies eben unter bewußtem Verzicht<br />

auf eine historisch-materialistische Analyse tut. So gerät seine<br />

Interpretation leicht in die Nähe einer personalistischen Betrachtung,<br />

die von der politischen Ökonomie der Konföderation (1787) abstrahiert<br />

und der amerikanischen Verfassungsbewegung unterstellt, aus<br />

den subjektiven Interessen ihrer Promotoren erwachsen zu sein. Diesen<br />

Eindruck kann Beard nur deklaratorisch, nicht aber analytisch<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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