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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Wider den bloß verbalen Materialismus 673<br />

tiv, als bloße Hinnahme des Gegebenen" so unbedingt verworfen<br />

wird? Es scheint, daß dem eine Vorstellung vom Wesen von <strong>Theorie</strong><br />

zugrundeliegt; die gegen die eigenen Grundannahmen unmaterialistisch<br />

ist. Was soll es sonst heißen, daß jene Grundtatsachen nicht „in<br />

materialistischer Absicht theoretisch bewiesen werden" dürfen? <strong>Das</strong><br />

kann doch nicht heißen, daß es für den Materialisten keine Einsicht<br />

in die Notwendigkeit von Produktion geben kann. Die eingesehene<br />

Notwendigkeit ist aber nicht mehr die grundlose. Vielleicht wird<br />

deutlicher, was Zimmermann vorschwebt, wenn man das Zitatmaterial<br />

betrachtet, auf das er sich stützen zu können glaubt. Dort<br />

negieren Marx und Engels die herkömmliche philosophische Methode<br />

der Konstruktion aus dem Kopf, aus ersten Grundsätzen, in denen<br />

der Theoretiker von den wirklichen Voraussetzungen absieht, ja in<br />

absoluter Voraussetzungslosigkeit seinen Anfang sucht, etwa in der<br />

bloßen Faktizität seines „Ich denke", unter Abstraktion von jedem<br />

konkreten Inhalt. Legt man die hier implizierte Bedeutung von<br />

„<strong>Theorie</strong>", also einen streng idealistisch-philosophischen <strong>Theorie</strong>begriff<br />

zugrunde, dann heißt jener Satz: die Grundbedingung der<br />

Produktion muß nicht und kann nicht vom reinen Denken her bewiesen<br />

werden. <strong>Das</strong> Denken, das sich als das Erste und als den Grund<br />

setzt, kommt nicht zur Grundbedingung der materiellen Produktion.<br />

Wohl aber das materialistische Denken, das sich als das auf anderem<br />

Aufbauende, auf anderes Angewiesene weiß. Zu sagen, daß die<br />

Grundbedingung der Produktion nicht aus der Idee abgeleitet werden<br />

kann, heißt doch nicht, die ideelle Reproduktion dieser Grundbedingung,<br />

das Nachzeichnen der Genesis jeder entwickelteren Form<br />

aus einer weniger entwickelten usw., für unmöglich oder unnötig zu<br />

erklären. So scheiden sich die Wege von Marx und Wittgenstein. Der<br />

eine führt zum umfassenden, nirgends haltmachenden Versuch, den<br />

materiellen Zusammenhang aller Dinge der Welt und des Denkens<br />

wissenschaftlich zu erkennen und dadurch alle Mystizismen, alle<br />

Denkformen, die der Unreife und der Knechtung des gesellschaftlichen<br />

Menschen entspringen, aufzulösen und den Menschen ein umfassendes,<br />

sie auf ihre gesellschaftliche Praxis verweisendes Selbstbewußtsein<br />

ihres Natur- und Sozialwesens und ihrer Natur- und<br />

Sozialverhältnisse zu geben. Der andere Weg führt zum Mystizismus,<br />

zur Anbetung einer absurden Letztgegebenheit der Sprache und<br />

damit des menschlichen Wesens.<br />

6. Erkenntnistheoretische Bedeutung der Praxis (II): Rotermund und<br />

Sandkühler<br />

Für Sandkühler distanziere ich mich von der Naturdialektik, für<br />

Rotermund „handelt es sich keineswegs um einen Zufall, wenn<br />

Haugs Thesen schließlich darin gipfeln, der Dialektik der Natur<br />

nachzuspüren" 46a . Für Rotermund bin ich Sandkühler und für Sand-<br />

46a R. Rotermund, Materialistische Erkenntnistheorie — was so.ll das?<br />

im vorliegenden Heft.<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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