Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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654 Wolfgang Fritz Haug<br />
die alternative, machte in einem „Aufruf" bekannt, sie wolle „diese<br />
so wichtige Diskussion aufgreifen und weiterführen" 8 . Damit keine<br />
Mißverständnisse aufkommen, sei übersetzt: unter dieser „so wichtigen<br />
Diskussion" versteht alternative jenen von Neusüß und Unger<br />
inzwischen der Fälschung überführten Artikel von Greiff/Herkommer.<br />
Auf die Widerspiegelungs-Diskussion im <strong>Argument</strong> nimmt die<br />
alternative-Redaktion Bezug als auf die .„Diskussion' (die nie eine<br />
war)". „Daß heute — nach den großen neueren Zäsuren theoretischen<br />
Denkens (Epistemologie etc.) — immer noch, wenn auch in differenzierter'<br />
Form, mit der sog. Widerspiegelungstheorie einem obsoleten<br />
Sensualismus das Wort geredet wird, liegt u. E. auch an dem Anteil<br />
von ,gesundem Menschenverstand', der hier seine Wirkung tut." Zumindest<br />
dieser Aufruf macht in der Tat nicht sichtbar, daß gesunder<br />
Menschenverstand in ihm besonders viel Wirkung täte. Ob es der<br />
alternative gelingt, ihren inzwischen demodierten Strukturalismus<br />
gegen die materialistische Dialektik anzubringen, sei bezweifelt.<br />
Aber indem sie sich zum Forum dieser Diskussion gegen die „Diskussion",<br />
die nie eine war, macht, werden weitere konkurrierende<br />
Auffassungen aus dem Halbdunkel heraustreten; die Auseinandersetzung<br />
kann dadurch nur an Transparenz gewinnen — und nichts<br />
brauchen wir dringender.<br />
Noch ein Wort zu dem „Nullpunkt-Problem". Die Ableitung der<br />
Positionen ist desto wichtiger, als der Streit der fertigen Resultate<br />
von der Mehrzahl der <strong>Argument</strong>-Leser nicht mehr mitvollzogen zu<br />
werden droht, sondern als „zu abstrakt" und für die je eigenen Probleme<br />
irrelevant empfunden wird. In mehreren Editoriais zu dieser<br />
Diskussion® hatte die Redaktion fast beschwörend darauf hingewiesen,<br />
daß in der abstrakt scheinenden Materie politische, weltanschauliche<br />
und methodologische Konsequenzen für jeden lauern und daß<br />
es deshalb nicht angehe, sie in ein gedachtes Gebiet einer „Philosophie",<br />
mit der man als „Nicht-Philosoph" nichts zu tun hat, abzuschieben.<br />
Denn für eine solche Haltung gilt, was Engels von den Naturwissenschaftlern<br />
sagte, die die Auseinandersetzung mit der fortgeschrittensten<br />
Philosophie ablehnen: sie fallen, ohne es zu merken,<br />
der schlechtesten Metaphysik zum Opfer, dem herabgesunkenen Abhub<br />
bürgerlicher Philosophie 10 . Dazu meldet sich Sandkühler, der<br />
diese Bemerkung mißversteht: „Hier wird eine gefährliche Alternative<br />
konstruiert: die zwischen .entscheidenden Fragen hinsichtlich<br />
des Seins und Sollens ideeller Produktion' und .philosophischer' Abstraktheit<br />
und spezialistischer Absonderung der Erkenntnistheorie.<br />
8 alternative 102/103, 18. Jg. 1975.<br />
9 Editoriais zu den Heften 81, 85 und 90.<br />
10 „Die Naturforscher mögen sich stellen, wie sie wollen, sie werden<br />
von der Philosophie beherrscht Es fragt sich nur, ob sie von einer schlechten<br />
Modephilosophie beherrscht werden wollen oder von einer Form des<br />
theoretischen Denkens, die auf der Bekanntschaft mit der Geschichte des<br />
Denkens und ihren Errungenschaften beruht" (Friedrich Engels, Dialektik<br />
der Natur, MEW 20, S. 480).<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©