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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Streitbarer Materialismus 625<br />

— daß ein einseitiger „Praxis"-Bezug zum Rationalismus der Hoffnung<br />

auf den nicht näher klassen- und formationsspezifisch bestimmten Alltagsverstand<br />

oder zum Fatalismus einer rein formationsorientierten Erkenntnisdetermination<br />

unter Ausschluß möglicher Antizipation führt;<br />

— daß eine einseitige „Praxis"-Fixierung teleologisches Denken gegenüber<br />

der materiellen Natur provoziert;<br />

— daß eine einseitige „Praxis"-Perspektive gegen den materialistischen<br />

ontologischen Determinismus praxologischen Objektivismus in Form<br />

von Ökonomismus in Gang setzt;<br />

— daß so die Erkenntnistheorie ihre relative Eigenart als Spezialwissenschaft<br />

verliert;<br />

— daß die praxologische Schwundstufen-Erkenntnistheorie Detailfragen<br />

wie etwa die nach unterscheidbaren Widerspiegelungsbeziehungen ausblenden<br />

muß (Wi 1: Widerspiegelung als Tätigkeit hochorganisierter<br />

Materie/Wi 2: Widerspiegelung von Gegenständlichkeit in Aussageform<br />

usw.)<br />

Hier wären kontrastierende Hinweise auf einige neuerliche Revisionismen<br />

in <strong>Theorie</strong> und Politik (z. B. auf den Zusammenhang von<br />

Praxis-Philosophie und Selbstverwaltungs-Sozialismus) am Platz,<br />

um Haug zu Präzisierungen zu veranlassen, die ihn vor Mißverstehen<br />

schützen. Als einen weiteren Anlaß zu korrigierender Kritik verweise<br />

ich statt dessen auf ein Beispiel aus der DDR-Erkenntnistheorie-<br />

Diskussion: auf K. Gößlers Aufsatz „Erkennen als sozialer Prozeß"<br />

und einen in der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie" soeben veröffentlichten<br />

Bericht über die 2. Arbeitstagung zu Problemen der<br />

marxistisch-leninistischen Erkenntnistheorie (Leipzig, 9. 2. 1973);<br />

Thema war: „Gesellschaftlicher und individueller Erkenntnisprozeß".<br />

K. Gößlers Aufsatz von 1972 halte ich heute wie zuvor 14 für einen<br />

der wichtigsten gnoseologischen Denkanstöße der letzten Jahre: die<br />

Kennzeichnung der Erkenntnis als sozial-historischer Prozeß und die<br />

Betonung der doppelten Erkenntnisdetermination sind wichtige <strong>Argument</strong>e<br />

gegenüber dem idealistischen „<strong>kritische</strong>n" Mißverstehen der<br />

Widerspiegelungstheorie und gegenüber deren formallogischer Positivierung.<br />

<strong>Das</strong> qualitativ Neue der Widerspiegelungstheorie muß in<br />

der Einheit von materialistischer und sozial-historischer Perspektive<br />

gesehen und präzisiert werden. Dies ist K. Gößler voll gelungen. Erst<br />

die nachträgliche vergleichende Lektüre des Berichts über die von ihm<br />

eingeleitete Tagung hat mich zur Frage veranlaßt, ob bereits in seinen<br />

ersten Überlegungen Trends sich andeuten, die in der Tagung beherrschend<br />

wurden. Nicht sicher scheint mir inzwischen, ob die von<br />

ihm unmißverständlich erhobene Forderung verwirklicht wurde,<br />

historischen und dialektischen Materialismus als einheitliches Grundlagensystem<br />

der Erkenntnistheorie geltend zu machen. Im Aufsatz<br />

akzentuiert Gößler weniger die „gegenständliche Bestimmtheit des<br />

Erkenntnisprozesses", als — dies war als deutliche Akzentsetzung<br />

zweifellos richtig — vielmehr dessen „sozial-historische Bestimmt-<br />

Marxistische Erkenntnistheorie, a.a.O., S. 59—98.<br />

14 Vgl. H. J. Sandkühler, a.a.O., S. 21, 196. Gößlers Aufsatz vgl. in:

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