Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
764<br />
1 Besprechungen<br />
seinem Buch von 1971 dem abzuhelfen, jetzt unternimmt er einen<br />
zweiten Versuch.<br />
Die ökonomische <strong>Theorie</strong> der Klassik kannte noch Klassen und<br />
Klassenkonflikte. Diese Erkenntnisse gingen jedoch später bei den<br />
Neoklassikern, welche nur nutzenberechnende Individuen und<br />
Gleichgewichte kannten, verloren. Mitte der 30er Jahre dieses Jahrhunderts<br />
erschütterte zwar die Weltwirtschaftskrise und in deren<br />
Gefolge die Keynessche <strong>Theorie</strong> diese Gleichgewichtsträume, nach<br />
dem Krieg stellte jedoch die „neoklassische Synthese" die alte Ordnung<br />
wieder her. Nim übernimmt der Staat als wirtschaftspolitischer<br />
Lenker die Rolle, die bisher das Saysche Gesetz in der <strong>Theorie</strong><br />
spielte, und die alte <strong>Theorie</strong> kann — sonst unverändert — weiterhin<br />
Gültigkeit beanspruchen. Sie kann sogar mit einer schmucken<br />
Wachstumstheorie ausgestattet werden, die ein goldenes Zeitalter<br />
(wo sich alles gleichmäßig und harmonisch entwickelt) verheißt,<br />
das unauffällig mit den heutigen Zuständen gleichgesetzt wird.<br />
Der erste Teil des Buches berichtet ausführlich über diese Dinge<br />
und erklärt, worin für Kregel die zu leistende Rekonstruktion der<br />
Politischen Ökonomie besteht: es soll eine dynamische <strong>Theorie</strong> aufgebaut<br />
werden, die an die Klassiker und Keynes anknüpft und Nutzenbegriff<br />
und Grenzproduktivitätstheorie umgeht. Diese Rekonstruktion<br />
beginnt im Teil 2. Dort wird ein Zwei-Sektoren-Modell<br />
diskutiert, in dem der Konsumgüter-Sektor zwar von dem anderen<br />
Investitionsgüter, aber keine Vorleistungen im Sinne der volkswirtschaftlichen<br />
Gesamtrechnung bezieht, so daß seine Kosten nur aus<br />
Abschreibungen und Lohnkosten bestehen und die Bestimmung des<br />
Profits besonders einfach ist. Die Preise werden in beiden Sektoren<br />
durch Aufschlag gebildet, wobei diese Aufschläge bei unvollkommener<br />
Konkurrenz unterschiedlich hoch sind. Wie hoch sie ausfallen,<br />
bestimmen nicht nur die Bilanzgleichungen der Sektoren, sondern<br />
auch die Wünsche der Kapitalisten. Von den in dieser Diskussion beliebten<br />
Themen fehlen weder Pasinettis positive Sparquote der Arbeitnehmer<br />
noch das Reswitching bei der Auswahl der Produktionstechnik.<br />
Im Wirbel der Märchen über goldene und nicht-goldene<br />
Zeiten sollte allerdings eine Merkwürdigkeit nicht untergehen:<br />
Kregel kritisiert zwar die Ein-Gut-Welt des R. M. Solow; der von<br />
ihm definierte Ausstoßvektor Q der Konsumgütermengen stellt aber<br />
im Prinzip nichts anderes dar, da es sich um ein Güterbündel mit<br />
festen Mengenrelationen handelt. Der Teil 3 bietet zunächst eine gute<br />
Übersicht über die Probleme bei der Messung des Kapitalstocks<br />
(Kap. 9). Im gleich darauffolgenden Kapitel werden die soeben erwähnten<br />
Probleme allerdings wieder vergessen, um ein „aggregate<br />
price level" zu diskutieren. Kap. 11—12 bauen Geld und Außenhandel<br />
Jn das Modell ein und bieten eine Reihe brauchbarer Bemerkungen,<br />
die nicht unbedingt an das hier formulierte Modell gebunden<br />
sind. Eine davon, die mir interessant erscheint, gebe ich wieder, auch<br />
wenn sie im Buch nicht in dieser Richtung diskutiert wird. Da die<br />
Investitionsentscheidungen unabhängig von den Sparentscheidungen<br />
getroffen werden, kann es sein, daß die gewünschten Investitionen<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©