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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Geschichte 739<br />

propagierte Sensibilisierung des Kindes dienen soll. Auf diese Frage<br />

muß die Verfasserin die Antwort schuldig bleiben, weil sie über<br />

keine <strong>Theorie</strong> der Sinne verfügt, sondern einfach nur deren Befreiung<br />

fordert. Die größere Bewußtheit in der Wahrnehmung bleibt<br />

bei ihr richtungslos. So sieht sie zwar den Zusammenhang von Sinnlichkeit<br />

und Sinn (und es gehört zu ihren Verdiensten, daß sie ihn<br />

nicht einfach zerschneidet) (65), aber sie zieht aus ihm keine Folgerungen,<br />

obwohl gerade hier einige Ausführungen über die noch<br />

immer unglaublich tabuisierte kindliche Sexualität vonnöten gewesen<br />

wären. So sieht sie zwar in dem Kapitel über „ Smell and<br />

Taste", daß beide als „Stiefkinder" (55) unter den Sinnen gelten,<br />

aher sie knüpft daran keine Überlegungen dazu, daß in unserem<br />

Kulturkreis Kindern schon sehr früh die Unterdrückung der Nähesinne<br />

durch die Fernsinne eingebläut wird. Dieser Mangel ist umso<br />

gravierender, als die meisten Kinder vermutlich gerade über die<br />

Nähesinne mehr Welterfahrung erwerben, als Erwachsene wahrhaben<br />

möchten.<br />

Endlich bleibt als Mangel des Buches zu vermerken, daß es kaum<br />

oder gar nicht auf die soziale Wahrnehmung von Kindern eingeht.<br />

Unterm Aspekt kindlicher Vorurteilsbildung gegenüber rassischen<br />

Minoritäten, körperlicher Stigmatisierung oder sozialer Devianz<br />

wäre an der sozialen Wahrnehmung der Kinder ungleich mehr zu<br />

erkennen als an der bloßen Beobachtung von Farben oder Tönen.<br />

Die soziale Wahrnehmung aber scheint auch der Verfasserin zu mangeln;<br />

denn nirgendwo thematisiert sie, daß eine Sensibilisierung<br />

von Kindern kaum unabhängig von den sozialen (und das heißt<br />

stets auch: finanziellen) Handlungsmöglichkeiten der Eltern vor sich<br />

gehen kann, die wiederum Grundlage und Voraussetzung von deren<br />

eigener Sensibilität sind. Solange aber Sensibilität an einen bestimmten<br />

Sozialstatus gekoppelt bleibt, steht sie als Bildungsziel<br />

unter Ideologieverdacht.<br />

Klaus Laermann (Berlin/West)<br />

Geschichte<br />

Gerstenberger, Heide: Zur politischen Ökonomie der<br />

bürgerlichen Gesellschaft. Die historischen Bedingungen<br />

ihrer Konstitution in den USA. Athenäum Fischer Taschenbuch<br />

Verlag, Frankfurt/M. 1973 (231 S., br., 10,80 DM).<br />

Der Gegenstand, „an welchem in besonderem Maße die Kategorien<br />

der Gesellschaftsanalyse zu erproben und weiterzuentwickeln sind"<br />

(9), ist für Gerstenberger die Besonderheit der Konstituierung der<br />

bürgerlichen Gesellschaft und des bürgerlichen Staates in den USA.<br />

Ihre Untersuchung versteht sich darüber hinaus als Beitrag zur<br />

„historisch-materialistischen <strong>Theorie</strong> des bürgerlichen Staates" (9).<br />

DAS ARGUMENT fo/1975 ©

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