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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Praxisbegriff und Abbildtheorie 645<br />

seits ist jedoch anhand der gegebenen Formulierungen die Abhängigkeit<br />

der Rede von „Abbildern" gegenüber der Rede von „subjektunabhängiger<br />

Existenz", „Erkenntnis", „Wahrheit" klar. Die<br />

erste Redeweise setzt die zweite voraus, aber nicht umgekehrt. <strong>Das</strong><br />

wiederum heißt, daß die vom Marxschen Ausgangspunkt als selbstverständlich<br />

geltenden Voraussetzungen wie die Existenz der Außenwelt<br />

etc. sich völlig unabhängig von einer „Abbildtheorie" vertreten<br />

lassen. Diese ist aus dem materialistischen Ansatz von Marx<br />

eliminierbar.<br />

2. Keine Frage bloßer Worte ist die Abbildtheorie dann, wenn<br />

die These „Bewußtsein als Abbild" als Bewußtseinsbegriff ernst<br />

genommen werden will. Tut man dies, so ergibt sich a) die unüberwindliche<br />

Schwierigkeit, diesen Begriff etwa mit dem oben angeführten<br />

Bewußtseinsbegriff (die Form, in der das Verhältnis zur<br />

Welt als Verhältnis existiert) in Einklang zu bringen; b) die unüberwindliche<br />

Schwierigkeit, aufgrund der Sprachgebundenheit des<br />

Bewußtseins — von der Marx und Engels ausgehen — eine Abbildtheorie<br />

der Sprache vertreten zu müssen, die inzwischen elementaren<br />

semantischen Einsichten widerspricht. Dies ist hier nicht nochmals<br />

auszuführen 27 . Jeder der angeführten Punkte reicht hin, um die<br />

Falschheit der Abbildtheorie zu beweisen. An dieser Stelle also<br />

kommt der oben zu Zwecken der Eliminationsstrategie ausgeklammerte<br />

Gegensatz aufs Grundsätzliche zurück. Die Beweislast freilich<br />

hat die Abbildtheorie 28 .<br />

3. Die allgemeine Abbildtheorie, um die es bislang ging, kann<br />

sich zur Absicherung nicht auf die neben Engels, Lenin etc. auch<br />

von Marx gebrauchte Widerspiegelungs- bzw. Abbildmetapher im<br />

Rahmen der Basis-Überbau-<strong>Theorie</strong> beziehen. Wie sich zeigen<br />

läßt 29 , geht es in diesem Kontext gar nicht um die obigen erkenntnistheoretischen<br />

Fragen, sondern um die jeweilige Konkretisierung<br />

der Entsprechung zwischen gesellschaftlichem Sein und Bewußtsein,<br />

die analysiert werden kann, ohne daß man die Metapher der<br />

Widerspiegelung oder Abbildung braucht:<br />

„Je mehr die normale Verkehrsform der Gesellschaft und damit<br />

die Bedingungen der herrschenden Klasse ihren Gegensatz gegen<br />

die fortgeschrittenen Produktivkräfte entwickeln, je größer daher<br />

der Zwiespalt in der herrschenden Klasse selbst und mit der beherrschten<br />

Klasse wird, desto unwahrer wird natürlich das dieser<br />

Verkehrsform ursprünglich entsprechende Bewußtsein, d. h., es<br />

hört auf, das ihr entsprechende Bewußtsein zu sein..." 30 .<br />

27 Vgl. meinen früheren Beitrag, a.a.O., und auch A. Leist: „Widerspiegelung<br />

der Realität — Realität der Widerspiegelung", in: <strong>Das</strong> <strong>Argument</strong><br />

81 (1973), S. 592 ff.<br />

28 Vgl. zur Kritik des Bewußtseinsbegriffs der Abbildtheorie auch<br />

B. v. Greiff/H. Herkommer, „Die Abbildtheorie und das ,<strong>Argument</strong>'", in:<br />

Probleme des Klassenkampfs 16 (1974).<br />

29 Vgl. meinen früheren Beitrag, a.a.O., S. 187 ff.<br />

30 MEW 3, S. 274. Betonung von mir.<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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