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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Streitbarer Materialismus? 623<br />

Liquidation der Erkenntnistheorie, der Substantialisierung der<br />

Erscheinungen (die Waren fungieren, aber wer hat sie hergestellt?:<br />

die Warenwelt) und der Mechanisierung der Dialektik. W.<br />

F. Haugs Satz über die Erkenntnis, sie sei „autonom, aber nicht<br />

autark" (S. 570), wird man mit Zustimmung hinsichtlich der Nicht-<br />

Autarkie gegenüber der materiellen Basis lesen; aber autonom?<br />

Autonomie kann dbch nur heißen: entweder Substanz (und dann ist<br />

die Grundfrage zu ungunsten der Materie beantwortet) oder Robinsonade<br />

des autonomen Intellekts inmitten-außerhalb der materiellen<br />

Dialektik von gesellschaftlichem Sein und Bewußtsein (und dann ist<br />

die Frage nach der Erkenntniswahrheit zu ungunsten von deren Objektivität<br />

beantwortet). Kurz: hier rächt es sich, daß Haug sich dem<br />

Streit über den Widerspiegelungscharakter der Erkenntnis und über<br />

deren Objektivität praktisch entziehen will und nun unbeschadet des<br />

materialistischen Ausgangs dieses ideologischen Kampfes philosophiert.<br />

Die Autonomie-These ist das widersprüchliche Resultat seiner<br />

Praxis-Konzeption; widersprüchlich, weil dem Determinations- und<br />

Zielelement „Praxis" entgegengesetzt; Resultat, weil der Versuch,<br />

die Objektivität von Erkenntnis noch zu garantieren, mit der Kategorie<br />

„Praxis" allein nicht gelingt.<br />

V. Kritisches zum politisch-ökonomischen Mechanismus<br />

W. F. Haug formuliert seine Absage an den „Praxis-Idealismus"<br />

mit klarer Zielsetzung. Es fällt jedoch einigermaßen schwer, diese<br />

Absage auch durchgeführt zu sehen, da er teilweise mit den terminologischen<br />

Bemühungen der „Praxis"-Philosophie sein Ziel vertritt.<br />

Die folgenden Überlegungen beziehen neben Haug auch einige<br />

Strömungen innerhalb der Erkenntnistheorieentwicklung in der<br />

DDR mit ein. Zugleich sind sie selbstkritisch: Kritik verdient, daß ich<br />

in meinem Buch „Praxis und Geschichtsbewußtsein" aus Gründen<br />

des Antimechanismus und Antiobjektivismus eine Ambivalenz von<br />

Materialismus und Praktizismus mit oft widersprüchlicher Tendenz<br />

zu letzterem nicht vermieden haben.<br />

Mit Tomberg (S. 623) zu sprechen, scheint mir in einigen Konzeptionen<br />

„die Produktion der Erkenntnis ... mehr oder weniger ganz<br />

zu einer Leistung der Dinge selbst" zu werden; es ist kein Paradox,<br />

diese Kritik am bürgerlichen Materialismus des 18. Jh. zu modifizieren.<br />

Denn so gewiß der erkenntnis-theoretische Materialismus von<br />

heute die Totalperspektive der subjektunabhängigen gegenständlichen<br />

Determination mit guten Gründen verwirft, so gewiß nistet sich<br />

erneut Materie- und Subjektunabhängigkeit überall dort ein, Wo die<br />

materiell-gegenständliche Erkenntnisdeterminante zwar erwähnt,<br />

ihre Anerkennung aber nicht konsequent realisiert wird. Der Gedanke<br />

der doppelten Determination der Erkenntnis verschiebt sich<br />

unter der Hand zu einem tatsächlich alternativen Dèterminationsmodeli.<br />

Zugleich setzt sich aber Materialismus contra legem durch:<br />

im Objektivismus der einseitig politisch-Ökonomisch verstandenen<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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