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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Wider den bloß verbalen Materialismus 679<br />

Nachdem aus Sandkühler Rotermund gesprochen hat, spricht zur<br />

Abwechslung Leist aus ihm. An einer ganzen Reihe von Punkten<br />

stehen bei Sandkühler Bestimmungen des Naturbegriffs, bei denen<br />

unklar ist, wie sie von den „konstitutionsphilosophischen" Vorstellungen<br />

Leists sich unterscheiden sollen. Laut Engels sei „für den<br />

Menschen ... die Natur immer schon gesellschaftlich vermittelt im<br />

Prozeß der Arbeit" 55a . Gewiß nicht „immer schon". In gefährlich unentschiedener<br />

Zweideutigkeit spricht Sandkühler von der „Welt, die<br />

der Mensch in seiner Praxis geschaffen hat" 55b . Wieder einmal ist bei<br />

ihm nicht von der wirklichen Welt — denn die hat der Mensch nicht<br />

geschaffen, sondern verändert — die Rede, sondern von der in einem<br />

phänomenologischen Sinn „Welt-des-Menschen". Vermutlich wird<br />

von hier her jene Redeweise Sandkühlers verständlich, die einem<br />

sonst als ein unbegreiflicher Rückfall in theologisches Denken vorkommen<br />

müßte. Gemeint ist die Rede von der Natur als „auf Erkennbarkeit<br />

hin existierende Form der Materie" 550 . Wenn unter<br />

„Natur" hier wie zuvor unter „Welt" nur das von uns Konstituierte<br />

verstanden wird, also an der wirklichen Welt und der wirklichen<br />

Natur nur die Ergebnisse ihrer materiellen Bearbeitung und ideellen<br />

Verarbeitung — unter Abstraktion von allem, was an der Natur ohne<br />

menschliche Einwirkung genau so wäre, sowie von allem, was die<br />

Natur außerhalb unseres Bewußtseins ist, — wenn also nur die<br />

„Welt-durch-und-für-uns" darunter verstanden wird, dann könnte<br />

man davon sprechen, daß diese „Welt-durch-und-für-uns" auf Erkennbarkeit<br />

hin angelegt ist, was im Gegenständlichen soviel heißen<br />

würde, Wie daß z. B. Verkehrsschilder auf Erkennbarkeit hin gemacht<br />

sind. — In „Was soll materialistische Erkenntnistheorie" kritisierte ich<br />

es, zurückhaltend wie mir scheint, als „nutzlos", wenn Sandkühler<br />

die Materie in der Natur als auf Erkennbarkeit hin existierend bezeichnet.<br />

Mir war es darum gegangen, zu zeigen, daß Erkenntnis nur<br />

von ihrer Notwendigkeit her begriffen werden kann. Jede andere<br />

Auffassung läßt die Ansprüche an eine dialektisch-materialistische<br />

Erkenntnistheorie unerfüllt, erscheint in ihrem Licht als unwissenschaftlich.<br />

Es war also gegen eine doppelte theoretische Unsitte anzustreifen:<br />

1) gegen die spannungslose Vereigenschaftlichung des Erkennens,<br />

die verkrampft optimistische Mystifizierung einer Aufgabe<br />

in eine Gegebenheit, kurz, gegen die Redeweise, die den Unterschied<br />

von Widerspiegelung überhaupt und richtiger Widerspiegelung<br />

außer acht läßt und Erkenntnis zur Eigenschaft des Bewußtseins<br />

macht; 2) gegen die passive Entsprechung dieser vermeintlichen Erkenntniseigenschaft<br />

des Bewußtseins auf seiten der Dinge, kurz, gegen<br />

die Verwandlung der „Erkennbarkeit" in eine Art Eigenschaft<br />

der Dinge. Nun wird hoffentlich Sandkühler diese meine Bemerkung<br />

nicht so lesen, als wäre ich nicht von der Erkennbarkeit der Dinge<br />

55a H. J. Sandkühler, Zur Begründung einer materialistischen Hermeneutik,<br />

in: <strong>Argument</strong> 77, S. 985.<br />

55b Ebda., S. 991.<br />

55c Ebda., S. 986.<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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