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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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682 Wolf gang Fritz Haug<br />

Als Scheinbeleg für meine angebliche Reduktion der Erkenntnistheorie<br />

auf Gesellschafts theo rie zitieren sie (von S. 566 f. meines<br />

Aufsatzes): „... die <strong>Theorie</strong> der Erkenntnis (kann) nicht formal bei<br />

sich bleiben, sondern muß übergehen in die Erforschung der Wirklichkeit,<br />

in das Aufdecken des verborgenen Hintergrunds, der auch<br />

der ihre ist, und in die Erforschung der .äußeren' Geschichte ihrer<br />

,inneren' Bildung. Mit dem Rätsel der wirklichen Zusammenhänge<br />

ist auch das Rätsel der Erkenntnis in gewissem Umfang gelöst." Die<br />

drei Punkte, mit denen das Zitat beginnt, stehen für „Nach der Seite<br />

der objektiven Erkenntnisschwierigkeiten..." — durchs Weglassen<br />

dieser Begrenzung auf eine bestimmte Seite der Aufgaben materialistischer<br />

Erkenntnistheorie entsteht der falsche Schein einer allseitig<br />

gemeinten Aussage. Aber das ist noch das Wenigste. Der Ausdruck<br />

„verborgener Hintergrund" bezieht sich auf ein Zitat, worin Marx<br />

die wissenschaftsspezifische Erkenntnisaufgabe formuliert und dies,<br />

sehr zum Ärger unserer <strong>kritische</strong>n Soziologisten, unter Verknüpfung<br />

eines naturwissenschaftlichen mit einem gesellschaftswissenschaftlichen<br />

Beispiel tut. Der Begriff des „verborgenen Hintergrunds" bezieht<br />

sich auf seinen Gegensatz, den Begriff der „Erscheinungsformen"<br />

(in Natur und Gesellschaft), die sich im Bewußtsein zunächst<br />

unmittelbar widerspiegeln bzw., um die Worte von Marx zu verwenden,<br />

„sich unmittelbar spontan" im Bewußtsein „reproduzieren".<br />

Mir kam es darauf an, zu betonen, daß dieses Verhältnis unmittelbar-spontaner<br />

Reproduktion = Widerspiegelung der objektiven Erscheinungsformen<br />

im Bewußtsein noch nicht die Lösung der Erkenntnisaufgabe<br />

darstellt, sondern erst ihr Problem.<br />

„Kennzeichen einer ... aussagekräftigen <strong>Theorie</strong> ist es, daß sie<br />

bemüht ist, ihre Stichhaltigkeit und ihre Vorzüge gegenüber anderen<br />

<strong>Theorie</strong>n an konkreten Gegenständen unter Beweis zu stellen",<br />

schreiben Greiff/Herkommer. Und jeder Wissenschaftler wird ihnen<br />

erwartungsvoll zustimmen. Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen<br />

gepflastert... Die beiden Helden sind so befriedigt über ihren<br />

Vorsatz, daß sie nicht daran denken, ihn einzulösen. Um davon abzulenken,<br />

treten sie die Flucht nach vorn an: „Von einem solchen Bemühen<br />

ist im Haug-Text nichts zu spüren. Wir finden hier nur allgemeine<br />

marxistische Wahrheiten, denen ob ihrer Allgemeinheit<br />

nahezu jeder zustimmen kann..." Greif f und Herkommer ziehen es<br />

vor, die Tatsache mit Schweigen zu übergehen, daß ich das von mir<br />

vorgeschlagene Verständnis von materialistischer Dialektik am<br />

exemplarischen Fall des Marxschen Kapital konkretisiere. In der<br />

Fußnote 2 habe ich zudem darauf verwiesen, daß das in jenem<br />

Artikel nur stichwortartig Ansprechbare ausführlich in meinen Vorlesungen<br />

zur Einführung ins Kapital entwickelt sei. Wer von der<br />

Kritik der politischen Ökonomie irgend etwas versteht, ebenso, wer<br />

die erkenntnistheoretische Literatur des Marxismus kennt, wird<br />

recht erstaunt sein, in den von mir pointierten Auffassungen<br />

durch Greiff und Herkommer „allgemeine marxistische Wahrheiten"<br />

anerkannt zu finden, „denen ob ihrer Allgemeinheit nahezu jeder<br />

zustimmen kann". Von meinem Standpunkt kann ich nur sagen,<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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