Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
754<br />
1 Besprechungen<br />
einfach Angst davor hatten, die gewohnte Umgebung der parlamentarischen<br />
Politik zu verlassen (16, 20).<br />
Obwohl Sweezy zu Recht betont, die anfängliche ökonomische Politik<br />
der Regierung sei eine kurzfristige gewesen, führt er seine Leser<br />
doch irre, indem er behauptet, die Regierung habe diese Politik als<br />
dauerhaft eingeschätzt. Der Grund dafür, daß Allendes ökonomische<br />
Politik nie grundsätzlich geändert wurde, kann nicht der ökonomischen<br />
Naivität seiner Berater zugeschrieben werden. <strong>Das</strong> Problem<br />
war eindeutig ein politisches, das teilweise mit der Fähigkeit der Parteien<br />
der Unidad Popular zusammenhing, unter sich Übereinstimmung<br />
zu erzielen und nach einer langfristigen politischen Strategie<br />
zu handeln. Insofern Sweezy sich nicht mit den politischen Problemen<br />
auseinandersetzt, die eine Veränderung der ökonomischen Politik bedingten,<br />
kann er auch die komplexen Probleme außer acht lassen, die<br />
mit einer Entscheidung für ein Plebiszit zusammenhingen. Weil er es<br />
ablehnt, sich mit diesen Problemen im Kontext einer breiteren Interpretation<br />
der chilenischen Geschichte auseinanderzusetzen, erweist<br />
sich sein Vorschlag, Allende hätte die Arbeiter bewaffnen sollen, sogar<br />
als noch unrealistischer als das friedliche Ideal, das er angreift.<br />
Es ist bezeichnend, daß Sweezy, der seine Analyse mit der Behauptung<br />
beginnt, die historischen Gesetze der Revolution könnten erklären,<br />
warum Allende fehlschlagen mußte, letztlich gezwungen ist, auf<br />
die Begriffe Furcht und Mythos zu bauen, um erklären zu können,<br />
warum das Ergebnis nicht anders war. Es liegt eine Unvereinbarkeit<br />
in seiner Analyse: einerseits lehnt er den friedlichen Weg mit der Begründung<br />
ab, er sei keine historisch lebensfähige Möglichkeit; andererseits<br />
schlägt er bestimmte Schritte vor, die aus seiner Sicht die<br />
chilenische Revolution möglich gemacht hätten. Es gibt jedoch in<br />
Sweezys <strong>Theorie</strong> keinerlei sichtbare Verbindung zwischen diesen beiden<br />
Ebenen. Die fehlende Verbindung ist einfach die chilenische Geschichte.<br />
Julio Faûndez B. (Coventry/England)<br />
(Übersetzung aus dem Englischen: Holm Gottschalch)<br />
Soares, Mario: Portugal. Rechtsdiktatur zwischen Europa und<br />
Kolonialismus. Rowohlt Verlag, Reinbek 1973 (136 S., br., 4,80 DM).<br />
<strong>Das</strong> Buch beansprucht, ein Augenzeugenbericht zu sein, und enthält<br />
dabei über die Autobiographie des Verfassers hinaus viele Einsichten<br />
in das Funktionieren der portugiesischen Diktatur, die Soares<br />
auf verschiedensten Ebenen bekämpft hat. So erfährt man über seine<br />
Arbeit in kommunistischen Organisationen während seiner Jugendund<br />
Studentenzeit und das spätere wechselhafte Verhältnis zur KP<br />
Portugals, darüberhinaus detailliert die Hintergründe der Ermordung<br />
Humberto Delgados, dessen Hinterbliebene Soares als Rechtsanwalt<br />
vor Gericht vertrat und dessen Fall heute wieder aufgerollt<br />
wird. Nichtsdestoweniger wird das Interesse des Lesers vor allem<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©