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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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1 Besprechungen<br />

Gesamtkonzeption noch eine inhaltliche Abstimmung der jeweils<br />

gegenüberstehenden Aufsätze ersichtlich.<br />

-Die Aufsätze sind fast durchgängig nach folgendem Muster aufgebaut:<br />

Eingangs werden die unterschiedlichen Methoden der gegenüberstehenden<br />

Wissenschaften skizziert. In diesem Vergleich wird die<br />

Rechtswissenschaft zunächst als normative mit der Bearbeitung von<br />

Rechtsnormen zum Zwecke der konkreten Streitentscheidung befaßte<br />

Wissenschaft charakterisiert, während die „Nachbarwissenschaft" mit<br />

der empirischen Untersuchung und theoretischen Erklärung sozialer,<br />

ökonomischer, politischer, psychologischer etc. Sachverhalte zu tun<br />

habe. Dann wird diese Unterscheidung relativiert, indem auf Überschneidungen<br />

und Berührungspunkte, auf die Relevanz rechtlicher<br />

Vorgänge für die „Nachbarwissenschaften", vor allem aber an zahlreichen<br />

illustrierenden Beispielen auf die Bedeutung einer genauen,<br />

wissenschaftlich fundierten Wirklichkeitskenntnis für Rechtssetzung<br />

und Rechtsanwendung hingewiesen wird. „Die gesellschaftlichen Prozesse<br />

komplizieren sich zusehends und sind einem so raschen Wandel<br />

unterworfen, daß Lebenserfahrung und Allgemeinbildung eines<br />

(nicht-sozialwissenschaftlichen) Akademikers kaum noch hinreichen,<br />

soziale Vorgänge adäquat zu erfassen. Hier ist die Soziologie unentbehrlich,<br />

sollen grobe Fehleinschätzungen gesellschaftlicher Realität<br />

vermieden werden" (Lautmann, 42). Auf diesen Hinweis auf die<br />

Notwendigkeit interdisziplinärer Kooperation folgt sodann ein je<br />

nach Temperament mehr oder minder pessimistisch ausfallendes<br />

Lamento über die konkreten Schwierigkeiten der Realisierung derselben,<br />

etwa über Differenzierung und Polarisierung in den Gesellschaftswissenschaften,<br />

die eine juristische Rezeption erschweren<br />

(Grimm, 66; Sontheimer, 76), über Verständigungsschwierigkeiten,<br />

vor allem aber über die mangelnde Kooperationsbereitschaft und<br />

-fähigkeit von Juristen (Struck, 25 ff.; Lautmann, 44 ff.; Sontheimer,<br />

70 ff.; Dammann, 126; Raisch/Schmidt, 162 ff.; Kaiser, 203). Propagiert<br />

werden dagegen der „skeptische" oder „<strong>kritische</strong>" (Struck, 29),<br />

der „gutwillige" (Lautmann, 44), der wirtschaftswissenschaftlich<br />

(Raisch/Schmidt, 167), psychologisch (Müller-Luckmann, 230) ausgebildete,<br />

der die „Begrenztheit und Bedingtheit der eigenen Tätigkeit"<br />

erkennende (Krauß, 256) Jurist. Ferner werden „Spezialisten der<br />

Vermittlung" gefordert (Grimm, 67).<br />

Über dieses allgemeine Aufzeigen von Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher<br />

Fundierung juristischer Tätigkeiten gehen die Aufsätze<br />

praktisch an keiner Stelle hinaus. Trotz einiger lesenswerter Exkurse,<br />

etwa bei Dammann zur Geschichte der Verwaltungswissenschaft<br />

(112 ff.), muß dieses Buch für den, der konkrete gesellschaftswissenschaftliche<br />

Analysen rechtlicher oder rechtlich relevanter Vorgänge<br />

sucht, eine Enttäuschung sein. Enttäuscht wird erst recht der, für den<br />

Gesellschaftswissenschaft mehr ist als ein Instrument der Effektivierung<br />

des bestehenden Rechtssystems: Mittel der Erkenntnis und<br />

Kritik des Klassencharakters des bestehenden Rechts.<br />

Friedhelm Hase (Gießen)<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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