Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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738 Besprechungen<br />
Kinderpsychologie durchgeführt worden sind; es ist andererseits nur<br />
' mühselig lesbar, da das Material im allgemeinen so wenig aufbereitet,<br />
so beziehungslos präsentiert wird, daß der Überblick verloren geht<br />
und eine Wertimg einzelner Befunde sehr schwer fällt.<br />
Gerechterweise muß allerdings gesagt werden, daß sich in dem<br />
„Manual" immerhin ein Stand der <strong>Theorie</strong> und Forschung manifestiert,<br />
von dem die Westdeutsche Kinderpsychologie nur träumen<br />
kann. Weder finden sich hier bedeutendere theoretische Beiträge<br />
— mit Ausnahme einiger Arbeiten in der Piaget- und Leontjew-Tradition<br />
—, noch läßt sich eine besonders interessante empirische und<br />
experimentelle Forschungstätigkeit beobachten. Die entwicklungspsychologische<br />
Literatur in Westdeutschland ist im großen und ganzen<br />
ein getreues Abbild dieser Situation.<br />
Helmut Jungermann (Darmstadt)<br />
Liepmann, Lise: Your Child's Sensory World. The<br />
Dial Press, New York 1973 (325 S., Ln., $ 8,95).<br />
Ziel des Buches ist es, Eltern und Erziehern, die beinahe schon das<br />
Gespür dafür verloren haben, daß Kinder vor allem sinnliche Wesen<br />
sind, den Sinn für die Sinne der*Kinder zu öffnen. Dabei beachtet<br />
es sehr wohl, daß jedes Kind über eine ihm eigene Ausprägung der<br />
Sinne verfügt, die seine besondere Begabung ausmacht. Gerade sie,<br />
so lautet die These der Verfasserin, gelte es so früh wie möglich zu<br />
erkennen und zu fördern. Schon vor dem Vorschulalter solle das<br />
Spiel Medium einer gezielten Förderung sein. Denn in ihm werde<br />
durch die Bewältigung kleiner und kleinster Aufgaben eine verstärkte<br />
Sensibilisierung des Kindes in der Wahrnehmung seiner<br />
Umwelt erreicht. Den Hauptteil des Buches bilden eine Fülle von<br />
Sensibilisierungsspielen, die jeweils die Förderung einzelner Sinne<br />
zum Gegenstand haben. Sie sind ein nützliches Korrektiv zu pädagogischen<br />
Bemühungen, die sich (im Blick auf einen späteren Schulerfolg)<br />
allzu sehr auf die Förderung sprachlicher und kognitiver<br />
Leistungen im Vorschulalter konzentrieren und dabei übersehen,<br />
daß gerade diese Leistungen nicht zu trennen sind von den Sinnesempfindungen,<br />
auf denen sie aufbauen.<br />
Weniger nützlich freilich ist das Buch als Versuch, die vor allem<br />
vom Esalen-<strong>Institut</strong>e propagierte <strong>Theorie</strong> der Sensibilisierung auf<br />
die Pädagogik zu übertragen. Dieser <strong>Theorie</strong> zufolge ist eine Lösung<br />
zwischenmenschlicher Konflikte und neurotischer Symptome dadurch<br />
möglich, daß man sich anderen in einer Gruppe mit allen<br />
Sinnen öffnet. Die Hoffnung auf die heilende Macht der Sinne hat<br />
in den USA unterm Schlagwort „See me, feel me, touch me, heal<br />
me" zu einer therapeutischen Massenbewegung geführt.<br />
Wie leer diese Hoffnung ist, wird offenkundig, wenn man an das<br />
vorliegende Buch die Frage richtet, welchem Ziel denn nun die<br />
DAS ARGUMENT 92/1973 ©