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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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614 Hans Jörg Sœndkiihler<br />

in Ungarn theoretische Höhepunkte erreicht worden sind e . Und wo<br />

die DDR-Erkenntnistheorie vorkommt, sollte sie nicht karikiert werden:<br />

wo eigentlich wird im Sozialismus die Erkenntnistheorie als<br />

„Spezialfach" abgesondert (S. 570)? Entspricht es K. Gößlers Intention,<br />

wenn er sich mit verkürztem Zitat — dann schon lieber „Zitatitis"!<br />

— als Technokrat oder Esoteriker wiederfindet (S. 570)? Was<br />

verursacht Haug Unbehagen, daß er apodiktisch notiert: „Der Streit,<br />

ob die Erkenntnis ihren Gegenstand ideell abbildet bzw. widerspiegelt<br />

oder nicht, lenkt ab vom Hauptproblem, das die Beschaffenheit<br />

der Realität selbst darstellt" (S. 565)? Kein Erkenntnistheoretiker<br />

wird — soweit Materialist — die fundamentale Verwiesenheit seiner<br />

Wissenschaft (weil deren Gegenstands) auf die Realität und die Wissenschaft<br />

„politische Ökonomie" bestreiten. Und kein politisch-ökonomisch<br />

interessierter Philosoph dürfte — soweit Materialist — leugnen,<br />

daß auch Bewußtsein, Erkenntnis und Wissen eine analysierbare<br />

„Beschaffenheit" ausweisen und daß die Dialektik von Sein und<br />

Bewußtsein, von gesellschaftlichem Sein und gesellschaftlichem Bewußtsein,<br />

von Praxis und Erkenntnis .Realdialektik auch im Bereich<br />

des Bewußtseins ist. Daraus ergäbe sich für ihn, daß die Wissenschaft<br />

„Dialektik" klar unterscheidbare (aber nie trennbare) Gegenstandsbereiche<br />

hat und daß die Erkenntnis (weil nach der Widerspiegelungstheorie<br />

als dialektischer Ontologie mit Sein, gesellschaftlichem<br />

Sein und Praxis niemals identisch) nicht Gegenstand des historischen<br />

Materialismus allein sein kann. Fazit: daß sie als komplex<br />

determinierter Prozeß distinkt wissenschaftlich zu erforschen und<br />

endlich die <strong>Theorie</strong> des wissenschaftlichen Sozialismus keine Einheitswissenschaft<br />

ist, sondern ein System der Einheit relativ selbständiger<br />

Wissenschaften.<br />

Was also verführt dazu, an der Kategorie „Widerspiegelung" nur<br />

ob ihrer „Bildhaftigkeit" festzuhalten? Was dazu, ihren metaphorischen<br />

Ursprung höher einzuschätzen als ihre differentialdiagnostische<br />

heutige Fähigkeit?<br />

Verführerisch ist die identitätsphilosophische Spekulation, die<br />

Dinge oder die Welt offenbarten sich per se. Gleich beginnen „die<br />

Dinge zu antworten" (S. 567; bei Sohn-Rethel „sprechen die Waren",<br />

„schwitzt das Sein Abstraktionen aus"). Ein Irrtum: die „Gebrauchsweisen<br />

der Dinge sind (zwar) wirkende Eigenschaften", aber sie wir-<br />

9 Hinzuweisen ist auf die in den letzten Jahren immer intensiver'<br />

geführte Diskussion z. B. in der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie"<br />

und in „Voprosy Filosofii", auf T. Pawlows „Widerspiegelungstheorie"<br />

(Berlin 1973), auf P. V. Kopnins „Dialektik-Logik-Erkenntnistheorie"<br />

(Berlin 1970), auf das 1968er Sonderheft der DZfPh, auf den „Marxismus-<br />

Digest" 1/1972: „Erkenntnistheorie". Vgl. eine Bibliographie zur Erkenntnistheorie<br />

und dialektischen Logik in: H. J. Sandkühler, Praxis und Geschichtsbewußtsein,<br />

Frankfurt/M. 1973, und den Band: Marxistische Erkenntnistheorie.<br />

Texte zu ihrem Forschungsstand in den sozialistischen<br />

Ländern. Hg. v. H. J. Sandkühler. Stuttgart 1973 (Beiträge v. Kosing,<br />

Narski, Gößler, Schliwa, Gedö, Wittich, Ruml, Kopnin und Kumpf).<br />

D AS ARGUMENT 92/1975 ©

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