02.03.2014 Aufrufe

Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Wider den bloß verbalen Materialismus 661<br />

Menschheit die Entfremdung theoretisch aufhebt, um sie praktisch<br />

aufhebbar zu machen, — erst dieser umfassende Zusammenschluß<br />

des vorhandenen Wissens über Gesellschaft, Natur (und auch über<br />

Erkenntnisgewinnung) bildet den Dialektischen Materialismus. Gegen<br />

diese umfassend wissenschaftliche Auffassung der Welt mag von<br />

religiöser oder irgend irrationalistischer Seite der Vorwurf des<br />

„Szientifischen" oder gar des „Szientismus" erhoben werden. Vom<br />

Standpunkt dieser Seite wäre der Vorwurf verständlich. Denn die<br />

wissenschaftliche Weltanschauung, zu deren Ausbildung auf Basis<br />

der geleisteten Kritik der politischen Ökonomie und der empirischen<br />

Naturerkenntnis Marx und Engels aufforderten, verweist die Menschen<br />

radikal auf sich selbst und ihr werktätiges, sozial geformtes<br />

Verhältnis zur Natur. Alle Ideen, die diesem werktätigen und revolutionären<br />

Selbstbewußtsein der gesellschaftlichen Menschen entgegenstehen,<br />

erscheinen im Lichte dieser wissenschaftlichen Welt-:<br />

anschaüung als un- oder vorwissenschaftliches, mehr oder minder<br />

reaktionäres oder illusionäres falsches Bewußtsein.<br />

Versteht Leist diesen Zusammenhang nicht oder fühlt er sich dadurch<br />

bedroht? Ist es vielleicht gerade die rücksichtslose Kritik des<br />

aus mehr als zweitausendjähriger idealistischer Tradition übriggebliebenen<br />

und in den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen<br />

immer wieder neu dienstbar gemachten Gedankenmaterials,<br />

die ihn trifft, wo er in dieses Gedankenmaterial verstrickt bleibt oder<br />

es als Materie für einen bürgerlichen Beruf wahren möchte?<br />

Zurück zur wissenschaftlichen Weltanschauung des dialektischen<br />

Materialismus. Es ist wahr, daß mit diesem Begriff Schindluder getrieben<br />

worden ist, daß unter diesem Namen auch schon Gedankengebäude<br />

aufgerichtet wurden, die ihre Verbindlichkeit nicht der wissenschaftlichen<br />

Evidenz vom Standpunkt der vergesellschafteten<br />

werktätigen Menschheit verdankten, sondern dem Instanzenweg.<br />

Andrerseits ist es nicht weniger wahr, daß sich die verschiedensten<br />

Verwirrungstaktiken der ideologischen Kapitalagenten besonders<br />

auf den Engelsschen Begriff der Weltanschauung konzentriert haben.<br />

Es geht bei diesem Begriff um nichts Besonderes, sondern um<br />

eines jener „schwer zu machenden Einfachen", von denen Brecht<br />

spricht.<br />

Es wäre ganz und gar irreführend zu meinen, „Weltanschauung"<br />

wäre an sich etwas Besonderes, ja überhaupt etwas Vermeidbares.<br />

Selbst wenn man davon absähe, daß mit überwältigender Macht<br />

ausgestattete ideologische Agenturen in der bürgerlichen Gesellschaft<br />

auf die weltanschauliche Formierung jedes einzelnen hinarbeiten,<br />

bliebe etwas bestehen, was jedermann spontan und weitgehend unausdrücklich,<br />

zum Teil bewußtlos, zum Teil aber auch sehr bewußt<br />

produziert und sogar mit bestimmten Ritualen zelebriert: der Reim,<br />

den man sich auf die Dinge dieser Welt macht. Wie reimt man sich<br />

die verwirrende, höchst widersprüchliche und zum Teil schlechterdings<br />

chaotische Mannigfaltigkeit des Vorkommenden zusammen?<br />

Man schafft sich seine Erklärung des Weltlaufs, der Zusammenhänge<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!