Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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632 Rainer Rotermwndt<br />
Schließlich verfehlt auf dieser Grundlage Haugs Kritik auch den<br />
Idealismus Hegels: „Paradoxerweise wurde die tätige Seite dagegen<br />
vom Idealismus betont, wenn auch, da dieser die materielle Produktion<br />
vornehm ignoriert (sie!), ,nur abstrakt', als ideelles Erzeugen<br />
der gegenständlichen Vorstellungen." (S. 561 — Hervorhebungen von<br />
mir, R. R.). Denn die Aufhebung der Subjekt-Objekt-Trennung in<br />
dieser Form bildet kein Paradoxon, sondern die neben der deterministisch-mechanischen<br />
einzig mögliche und folglich richtige Art der<br />
Aufhebung unter Voraussetzung des „verkehrten" Begreifens der<br />
Warenproduktion. Diesen Zusammenhang hätte eine historisch-materialistische<br />
Analyse aufzuweisen, statt dem Idealismus eine Praxisferne<br />
vorzuhalten, die ihn definiert.<br />
III. Naturdialektik und Wissenschaftsbegriff<br />
Konsequent — angesichts der dem Idealismus äußerlich bleibenden<br />
Kritik — erscheint denn auch das Betreiben „materialistischer Erkenntnistheorie"<br />
als Resultat einer freien Entscheidung des denkenden<br />
Individuums zum Besseren, als bloße Option: „Für eine materialistische<br />
Dialektik vom Standpunkt des Lebens, der Praxis" (S. 570 —<br />
Hervorhebungen von mir, R. R.).<br />
Und Dialektik fällt der schon am Praxisbegriff konstatierten Enthistorisierung<br />
anheim; wenn sich nämlich Idealismus und Materialismus<br />
in jeder Klassengesellschaft gegenüberstehen, dann verwandelt<br />
sich Dialektik von einer reell-ideellen Kategorie der bürgerlichen<br />
Gesellschaft und folglich ihrer Analyse und Kritik (vorgeführt<br />
in Marxens „Kapital") in den inneren Zusammenhang „der Welt in<br />
ihrer Bewegung" (S. 563 — Hervorhebung von mir, R. R.). Dialektik<br />
muß so zum Prinzip des Materialismus werden, d. h. zu einem Denkschema,<br />
das jedweder Form von Klassengesellschaft aufgepappt wird,<br />
um daraufhin die Behauptung zu legitimieren, es sei diesem Sein<br />
selbst abgelauscht.<br />
Doch damit nicht genug. Wenn Dialektik das Prinzip „der Welt"<br />
darstellt, dann muß sie auch in der Natur, „in den Dingen" (S. 563)<br />
zu finden sein. Es handelt sich daher keineswegs um einen Zufall,<br />
wenn Haugs Thesen schließlich darin gipfeln, der Dialektik in der<br />
Natur nachzuspüren. Haugs naturalisierter Materialismus feiert in<br />
der Analogie von gesellschaftlichen und Naturprozessen fröhliche Urständ.<br />
Der Verkehrung des Werts der Ware Arbeitskraft in Wert der Arbeit<br />
wird umstandslos die Beziehung von Fallgesetz und ungleichem<br />
Fall einer Flaumfeder bzw. eines Stückes Blei (in der theoretischen<br />
Qualität) gleichgesetzt. Daß aber mit der Kategorie des Wertes schon<br />
deren Erscheinungsform als Tauschwert gesetzt ist, letztlich die Geldform<br />
schon vorgegeben, mit der Kategorie Ware Arbeitskraft die<br />
Verwandlung ihres Wertes in den „Wert der Arbeit", hingegen das<br />
Fallgesetz gerade nichts aussagen kann über den wirklich unterschiedlichen<br />
Fall einer Flaumfeder und eines Stückes Blei und sich<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©