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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Sprach- und Literaturwissenschaft 713<br />

resultiere aus einem Gebrauch der Extensionskompetenz in den linguistisch<br />

bestimmten Gruppen mit dem Ziel einer „Optimierung<br />

ihrer grammatischen Mittel" (143). — Daß die Kommunikationsverbesserung<br />

im Sinne eines Inhomogenitätsausgleichs selbst historisch<br />

gesehen werden muß, daß die „Optimierung der grammatischen<br />

Mittel" je nach sozialhistorischer Situation anderes heißt, scheint<br />

Kanngießer zwar zu sehen; er zieht aber nicht die Konsequenz eines<br />

Verzichts auf die These der „Optimierung als Infusionsstrategie",<br />

sondern lagert wie Chomsky mögliche Modifikationen als abhängig<br />

von den Bedingungen aktualisierter Rede aus dem Gegenstandsbereich<br />

der Linguistik aus. Es ist zu fragen, ob er mit einem derartigen<br />

Vorgehen seinen eigenen, im ersten Kapitel in der Kritik an<br />

Chomsky formulierten wissenschaftstheoretischen Prinzipien nicht<br />

zuwiderhandelt.<br />

Kanngießer klammert die Pragmatik explizit aus seinen Untersuchungen<br />

aus (67, Anm. 5), obgleich er selbst starke <strong>Argument</strong>e dagegen<br />

anführt (ebd.) und mit der Extensionskompetenz eine Kategorie<br />

benutzt, die traditionell als Teil der kommunikativen Kompetenz<br />

in die Pragmatik gehören sollte. Die Mitglieder der von ihm eingeführten'<br />

Gruppen sind nicht-handelnde und nicht-sprechende Sprecher,<br />

nur dadurch bestimmt, daß sie eine gruppenspezifische phonologisehe,<br />

syntaktische und semantische Kompetenz internalisiert<br />

haben. Die zur Integration sprachwissenschaftlicher Fragestellungen<br />

in sozialwissenschaftliche Zusammenhänge unbedingt notwendige<br />

Leerstelle der Sprecher-Hörer-Situations-Dimension fehlt also. Die<br />

angenommene Projizierbarkeit von Sprachgruppen auf Sozialgruppen,<br />

aus der sogar die Annahme einer wechselseitigen Prognostizierbarkeit<br />

abgeleitet wird (152), ist in dieser Stärke keinesfalls zu<br />

halten, und zwar nicht nur, weil — wie Kanngießer selbst bemerkt<br />

(151) — keine eindeutige Zuordnung möglich ist. Der gesamte<br />

Versuch der Korrelierung linguistischer und soziologischer Variablen<br />

dürfte letztlich daran scheitern, daß die von Kanngießer immer<br />

wieder geforderte Unabhängigkeit, mit der die linguistischen „Konzepte"<br />

(150) formuliert werden müssen, nicht durchgehalten werden<br />

kann bei der adäquaten Bearbeitung eines Gegenstandes, der durch<br />

seine Funktion innerhalb sich wandelnder menschlicher Gesellschaften<br />

bestimmt ist. Bei der Behandlung einzelner grammatischer<br />

Detailprobleme mag man von dieser Bestimmung des Gegenstands<br />

Sprache absehen können und zuweilen auch müssen — bei dem<br />

Entwurf einer historisch fundierten Sprachtheorie darf man es nicht.<br />

Uta Quasthoff (Berlin/West)<br />

Wunderlich, Dieter (Hrsg.): Linguistische Pragmatik.<br />

Athenäum Verlag, Frankfurt/M. 1972 (413 S., br., 19,80 DM).<br />

Der Reader versammelt sprachwissenschaftliche Beiträge unterschiedlichster<br />

Couleur zur linguistischen Pragmatik und will in diesen,<br />

weil sie uns in der Praxis begegnen" (5). Demzufolge ist die<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©,

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