Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Wider den bloß verbalen Materialismus 653<br />
theorie entgegen. Als dialektische, weil sie keine fertigen Ergebnisse<br />
als endgültig kennt, weil sie in der Bewegung und Vermittlung zuhause<br />
ist. Als materialistische, weil sie keine Verselbständigung von Ideen<br />
gegen die materielle Realität duldet. Deshalb ist die „Nullpunktsituation",<br />
von der Sandkühler in einem Sinn völlig berechtigt feststellt,<br />
daß sie eine Fiktion sei, in anderem Sinn eine absolute Notwendigkeit<br />
für Leute, die nicht einfach abgespeist werden wollen.<br />
Wenn der Materialist mit Engels keine andéren Voraussetzungen<br />
anerkennt als die wirklichen Voraussetzungen des materiellen Lebensprozesses,<br />
dann hat er Interesse daran, keine Ideen als fix und<br />
fertig vorauszusetzen, sondern sie auf ihren Anfang und auf ihre<br />
"Basis zurückzuverfolgen, um sie von dort ableiten zu können. Dies<br />
ist nicht nur bekanntlich die einzig wissenschaftliche Methode, sondern<br />
es ist auch die einzige Methode, in der jeder eine Überzeugung<br />
gewinnt, die ihn gerade in dem Maße, in dem er sie nicht von fremder<br />
Autorität übernimmt, mit anderen verbindet. Für eine Bewegung<br />
der selbständigen Aneignung des dialektischen Materialismus<br />
ist deshalb der erkenntnistheoretische Aspekt besonders ergiebig.<br />
Er zwingt, jedes Wissen vom Gesichtspunkt seiner Ableitbarkeit zu<br />
behandeln.<br />
Als wollten sie diesem Aneignungsprozeß entgegenwirken, haben<br />
v. Greiff und Herkommer mit Unterstellungen eingegriffen 8 . Schon<br />
mit den Mitteln des magischen Symbolismus, wie sie Springers Welt<br />
noch immer gegen die DDR anwendet, wollen sie ihre Nichtanerkennung<br />
der Widerspiegelungs-Diskussion des <strong>Argument</strong> bekunden: sie<br />
setzen Diskussion in Anführungszeichen. Für sie ist alles schon gelaufen,<br />
deshalb kann im <strong>Argument</strong> gar nicht mehr diskutiert werden.<br />
— Greiff/Herkommer haben mit ihrem Aufsatz etwas erreicht, was<br />
nicht in ihrem Sinn war. Nicht nur gaben sie, wie man im folgenden<br />
sehen wird, Anlaß zu Verdeutlichungen und Verbesserungen einer<br />
Position, die sie verdrängen wollten. Sondern ihr Angriff rief eine<br />
Erwiderung in der Prokla hervor, in der A. Neusüß und F. Unger<br />
das Urteil des kurzen Prozesses, den Greiff/Herkommer mit der Abbildtheorie<br />
gemacht hatten, kassieren und die Beweisaufnahme wieder<br />
eröffnen 7 . Hier das Ergebnis zweiter Instanz: „Da es sich bei den<br />
Auslassungen (von Greiff/Herkommer) nicht um Meinungen und Interpretationen<br />
handelt, die sich noch innerhalb des Bereichs wissenschaftlicher<br />
Textanalyse artikulieren", könne es sich zunächst nur<br />
darum handeln, Fälschungen aufzudecken und anstelle der Fälschung<br />
das Original zu retablieren. Neusüß und Unger arbeiten nun sorgfältig<br />
die Positionen heraus, die vor allem im Philosophischen Wörterbuch<br />
aus der DDR ausgedrückt sind. Dadurch wird die Diskussion<br />
für ihren Fortgang mit wertvollem Material versehen. Man sieht, die<br />
Widerspiegelungs-Diskussion weitet sich aus. Eine weitere Zeitschrift,<br />
6 Vgl. hierzu unsere Auseinandersetzung im Editorial zu <strong>Argument</strong> 90,<br />
17. Jg. 1975, S. 189—198, „Anführungs-Zeichen in ,Prokla'. Noch einmal zu<br />
den Zielen der Widerspiegelungs-Diskussion".<br />
7 A. Neusüß und F. Unger, <strong>Das</strong> neueste Problem des Klassenkampfs<br />
— der Kampf gegen die Abbildtheorie, in* Prokla, 5. Jg., Oktober 1975.<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©