Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Psychologie 733<br />
<strong>Das</strong> Symposium des Internationalen <strong>Institut</strong>s für den Frieden,<br />
Wien, am 31. August und 1. September 1971, das unter dem Thema<br />
stand: „Die sogenannte Aggressionstrieb-<strong>Theorie</strong> des Krieges", hatte<br />
die Aufgabe, „den aktuellen Stand der Diskussion neu festzustellen"<br />
(7).<br />
Einige Ergebnisse sollen herausgehoben werden: Es bestand Einigkeit<br />
unter den Teilnehmern, daß es „für die Friedensforschung und<br />
die Bemühungen um Schaffung der notwendigen Bedingungen für<br />
den Frieden sehr von Vorteil" wäre, „den Menschen in seiner realen<br />
historischen Situation" zu erforschen, „natürlich auch unter biologischen<br />
Gesichtspunkten", aber nie „nur von der Biologie her" bzw.<br />
„nur aus dem menschlichen Individualverhalten" (118). Der Mensch,<br />
dessen Entwicklung vor ca. 5 Millionen Jahren begann, verwendete<br />
während des größten Teils seiner Geschichte „keine selbst verfertigten<br />
Waffen" und kannte den Krieg als <strong>Institut</strong>ion nicht; der nächste<br />
Schritt wäre, zu beweisen, „daß es auch in einer industriell hochentwickelten<br />
Gesellschaft möglich ist, die gute Tradition längst vergangener<br />
Zeiten fortzusetzen anstelle der zweifelhaften Tradition der letzten<br />
dreieinhalb Jahrtausende". Gezeigt werden muß, daß eine Gesellschaft<br />
nicht „desto mehr kriegerischen Charakter" besitzt, „je zivilisierter"<br />
sie ist, leitet sich Krieg doch „nicht von der Zivilisationsstufe"<br />
ab, sondern „vom ausbeuterischen Charakter der jeweiligen<br />
Gesellschaft". Wohl gab es in primitiven Gesellschaften durchaus<br />
Konflikte von Individuen, Clans, Stämmen, Stammesgruppen, aber<br />
sie waren „nicht mit der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung notwendig<br />
verbunden", d. h. „nicht im Produktionssystem dieser Gesellschaften<br />
verankert und institutionalisiert" (Hollitscher 87 und 41).<br />
Existiert keine „angeborene Aggression", beim Menschen ebensowenig<br />
wie bei Tieren (E. Moore 62; Montagu 57), so ist aggressives<br />
Verhalten „im wesentlichen, wenn nicht sogar ausschließlich, erlerntes<br />
Verhalten" (Montagu 61), wobei „die Macht der Massenmedien"<br />
von Bedeutung ist (E. Moore 94). Erforderlich wäre, „die<br />
richtigen sozialen Bedingungen zu schaffen, die ihrerseits wieder für<br />
die richtigen Schulen sorgen, in denen Kinder zur Kooperation in<br />
einer kooperativen Gesellschaft erzogen werden" (Hollitscher 81). Die<br />
Aggressionstrieb-<strong>Theorie</strong>n lenken „in Wirklichkeit nur von der eigentlichen<br />
Frage ab" und haben „etwas mit dem Versuch zu tun ...,<br />
der weitverbreiteten marxistischen Auffassung von den Ursachen von<br />
Krieg, Ausbeutung und anderen Dingen entgegenzuwirken". Die<br />
„Prämie, die für diese Doktrin gegeben wird", ist „auch eine Prämie<br />
für Anti-Marxismus" (Hollitscher 120 f.). — In seiner Einleitung:<br />
„Zum gegenwärtigen Stand der Aggressionsforschung: Versuch einer<br />
Synthese" gelangt Rolf Denker trotz gelegentlich fragwürdiger Begrifflichkeit<br />
(„westliche Industriegesellschaften") und idealistischer<br />
Grundhaltung (Überbetonung der Wichtigkeit einer „Entfaltung<br />
neuer Denkgewohnheiten" und der „Einsetzung neuer Wertvorstellungen",<br />
29) zu einer Beurteilung der Aggressionstrieb-<strong>Theorie</strong>n, die<br />
mit den Ansichten der meisten Symposiumsteilnehmer überein-<br />
D AS ARGUMENT 92/1975 ©