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Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Praxisbegriff und Abbildtheorie 639<br />

zurückgreift,, durch die Gegenstände unmittelbar gegeben und von<br />

bloß gedachten abgehoben werden. Er versteht jedoch sinnliche Anschauung<br />

(durchaus konform mit der Tradition) als rezeptiv, als<br />

bloße Hinnahme des Gegebenen; daher stellt die Zugangsweise<br />

über die Anschauung die subjektive Seite unter die „Form des Objekts".<br />

Hinzu kommt, daß Feuerbach in der Anschauung die ausgezeichnetste<br />

Form des theoretischen Verhaltens zur gegenständlichen<br />

Welt sieht bzw. theoretisches Verhalten als eigentlich anschauendes<br />

faßt 10 . Feuerbachs „sinnlicher Mensch" bleibt so bei<br />

allem Pathos das Subjekt der theoretischen Philosophie.<br />

Marx' Begriff der sinnlich-menschlichen Tätigkeit, Praxis, bewirkt<br />

demgegenüber zweierlei: erstens wird prinzipiell „der Gegenstand,<br />

die Wirklichkeit, Sinnlichkeit" unter der „Form des Subjekts" gefaßt,<br />

das heißt von der subjektiv-tätigen Seite her bestimmt. Zweitens<br />

wird das Verhältnis der subjektiven Seite zu der Objektwelt von<br />

vornherein als praktisches verstanden. Der Grundbegriff der sinnlich-menschlichen<br />

Tätigkeit bringt die Lebenswirklichkeit des<br />

menschlichen Verhaltens zur äußeren Natur in allgemeiner Weise<br />

zum Ausdruck. Insofern er dies tut, reflektiert er ein faktisches<br />

Grundverhältnis, zu dem die Faktizität der äußeren Natur genauso<br />

gehört wie die Faktizität konkreter Menschen. Daher heißt es in der<br />

„Deutschen Ideologie" weiter:<br />

„Übrigens löst sich in dieser Auffassung... jedes tiefsinnige<br />

philosophische Problem ganz einfach in ein empirisches Faktum<br />

auf. Z. B. die wichtige Frage über das Verhältnis des Menschen zur<br />

Natur... zerfällt von selbst in die Einsicht, daß die vielgerühmte<br />

.Einheit des Menschen mit der Natur' in der Industrie von jeher<br />

bestanden und in jeder Epoche je nach der geringeren oder größeren<br />

Entwicklung der Industrie anders bestanden hat, ebenso wie<br />

der .Kampf' des Menschen mit der Natur, bis zur Entwicklung<br />

seiner Produktivkräfte auf einer entsprechenden Basis" n .<br />

Die Frage, ob hier ein schlicht „empirisches Faktum" bzw. eine<br />

befriedigende Selbstreflexion der Kritik der traditionellen Philosophie<br />

vorliegt, mag dahingestellt sein. Jedenfalls ist mit dieser<br />

Auffassung das erkenntnistheoretische Problemschema, ob das<br />

„Subjekt" zum von ihm unabhängigen „Objekt" kommt oder nicht,<br />

verlassen. <strong>Das</strong> „Subjekt" ist schon immer beim „Objekt" und zwar<br />

so, wie es dem durch den Begriff der sinnlich-menschlichen Tätigkeit<br />

erfaßten Grundverhältnis entspricht. In allgemeiner Weise<br />

drückt Marx dies in der „Heiligen Familie" sehr treffend so aus,<br />

10 Vgl. Feuerbach L., Vorläufige Thesen zur Reform der Philosophie,<br />

in: Werke, Bd. 2, hrsg. v. F. Jodl, Stuttgart 1959 2 , S. 235. Vgl. für Marx'<br />

Hinweis auf Feuerbachs „<strong>Das</strong> Wesen des Christentums", in Werke, Bd. 5,<br />

S. 333 (Ausgabe von Schuffenhauer, Berlin/DDR 1973): „... die Welt...<br />

in ihrer Herrlichkeit offenbart nur die <strong>Theorie</strong>; die theoretischen Freuden<br />

sind die schönsten intellektuellen Lebensfreuden... Die praktische<br />

Anschauung ist eine schmutzige, vom Egoismus befleckte Anschauung."<br />

11 MEW3, S. 43.<br />

DAS ARGUMENT 92/1975 ©

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