Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Praxisbegriff und Abbildtheorie 643<br />
begründete Positive gegen Hegel der Ausgangspunkt „als eines vorausgesetzten<br />
Subjekts" 81 der wirklichen Geschichte. Daher erfolgt<br />
in der „Deutschen Ideologie" die Betonung des nicht voraussetzungslosen<br />
Charakters der positiven geschichtsmaterialistischen <strong>Theorie</strong>:<br />
„Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos. Sie geht<br />
von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen<br />
Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen... in ihrem<br />
wirklichen, empirisch anschaulichen Entwicklungsprozeß unter bestimmten<br />
Bedingungen" 22 .<br />
An anderen Stellen werden solche Passagen geradezu als Definition<br />
von ,materialistisch' verwendet 22a .<br />
Es ist hier nur festzustellen, nicht weiter zu entwickeln, daß so,<br />
wie der Grundbegriff der sinnlich-menschlichen Tätigkeit, Praxis<br />
gegenüber der bürgerlichen theoretischen Philosophie in seiner <strong>kritische</strong>n<br />
Potenz ausgespielt wird, er umgekehrt die systematische<br />
Orientierung der geschichtsmaterialistischen Empirie übernimmt.<br />
Dies ist daran zu sehen, daß der Rekurs auf empirische Verhältnisse<br />
von vornherein einen „materialistischen Zusammenhang der Menschen<br />
untereinander" 23 zeigen soll, was nur möglich ist, wenn der<br />
Grundbegriff der Praxis sowohl im Verhältnis Mensch-Natur als<br />
auch Mensch-Mensch zugrundegelegt wird.<br />
Was nun wird unter solchen Voraussetzungen aus den allgemeinen<br />
Fragestellungen der theoretischen Philosophie, die der Abbildtheorie<br />
so sehr am Herzen liegen: ob das Denken zum Sein kommt, ob es<br />
eine Außenwelt gibt, ob es subjektunabhängige Gegenstände der<br />
Erkenntnis gibt? Die Antwort auf solche Fragen nimmt aufgrund<br />
des Marxschen Ausgangspunktes die Form einer Erinnerung an<br />
Selbstverständlichkeiten an, die auf derselben Ebene liegen wie die<br />
folgende:<br />
„Die erste Voraussetzung aller Menschengeschichte ist natürlich<br />
die Existenz lebendiger menschlicher Individuen"<br />
Entsprechend ist es natürlich auch eine Voraussetzung des Grundverhältnisses<br />
des Menschen zur Natur, wie es im Begriff der sinnlich-menéchlichen<br />
Tätigkeit gefaßt ist, daß eine äußere Natur überhaupt<br />
existiert und daß die sinnliche Tätigkeit sich an dieser abarbeiten<br />
bzw. als „gegenständliche" an einmal geschaffenen Gegenständen<br />
angreifen kann. Und genauso natürlich ist es, daß die sinnliche<br />
Tätigkeit, insofern sie menschliche ist, mit Bewußtsein vollzogen<br />
und damit fähig wird, Erkenntnisse über die Gegenstände zu<br />
gewinnen, mit denen sie es zu tun hat.<br />
21 Ebd.<br />
22 Deutsche Ideologie, a.a.O., S. 27.<br />
22a Ebd., S. 217, 419.<br />
23 Ebd., S. 30.<br />
24 Ebd., S. 20.<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©