Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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720 Besprechungen<br />
vertrag, der die Alleinverantwortung des Intendanten festschreibt<br />
und damit Mitbestimmung und inhaltliche Veränderung am Theater<br />
blockiert. Gegenstand der Diskussion war auch das Verhältnis von<br />
kommunalen und freien Gruppen, statt beide als konkurrierende Alternativen<br />
zu begreifen, gilt es, Kooperation zu entwickeln und Solidarität<br />
gegen eine Subventionspolitik, die beide gegeneinander ausspielt.<br />
Positiver Grundzug der meisten Beiträge ist die Einsicht, daß<br />
„linke Dramaturgie" und ein nur im Kopf bezogener Standpunkt der<br />
Arbeiterklasse nicht ausreichen, diese Probleme zu lösen und eine<br />
fortschrittliche Alternative zum bestehenden Theaterkulturbetrieb<br />
aufzubauen, sondern daß es notwendig ist, sich selbst etwa in der Genossenschaft<br />
Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) zu organisieren<br />
und diese bislang wenig effiziente und geschätzte Organisation als<br />
eigene gewerkschaftliche Interessenvertretung zu stärken. In diesem<br />
Bereich den Standpunkt der Arbeiterklasse praktisch zu beziehen<br />
heißt auch, bei ihr in die Lehre gehen, kontinuierliche Arbeit in und<br />
mit den Gewerkschaften, mit Lehrlingsgruppen, SDAJ und DKP aufnehmen.<br />
<strong>Das</strong> Forum selbst ist ein erster Schritt dazu.<br />
Gelingt dies, so ist zu erwarten, daß auch an Kontur und konkreten<br />
Inhalten gewinnt, was jetzt noch zu nebelig mit „fortschrittlicher<br />
Theaterkultur", „Orientierung an den kulturellen Bedürfnissen der<br />
werktätigen Bevölkerung" u. a. umschrieben wird.<br />
Urs Bircher (Berlin/West)<br />
Soziologie<br />
Milhoffer, Petra: Familie und Klasse. Ein Beitrag zu den<br />
politischen Konsequenzen familialer Sozialisation. Fischer Taschenbuchverlag,<br />
Frankfurt/M. 1973 (271 S., br., 5,80 DM).<br />
Die Familie wird in der Arbeit Milhoffers mit den analytischen<br />
Kategorien des historischen Materialismus einerseits und den Kategorien<br />
der Psychoanalyse andererseits untersucht.<br />
Die Autorin gerät damit sogleich in den alten Streit um die mögliche<br />
Vereinigung von historischem Materialismus und Psychoanalyse.<br />
In einer historischen und wissenschaftstheoretischen Kritik des<br />
Freudschen Ansatzes fragt sie: „Welchen historischen Verhältnissen<br />
entwächst der Freudsche Denkprozeß als .Naturprozeß', inwiefern ist<br />
der kategoriale Ansatz der Psychoanalyse zur Erfassung der Formen,<br />
in denen sich die Naturgesetzlichkeit menschlicher Bedürftigkeit und<br />
Antriebe ausdrückt, ein .wirklich begreifender'?" (23). In der Auseinandersetzung<br />
mit dieser Frage, die wesentlich die Ergebnisse von<br />
Horkheimer und Adorno einbezieht, kommt Milhoffer zu einer Kritik,<br />
die schon Marx, ausgehend von der Charakterisierung des Menschen<br />
als tätigem Subjekt, als sinnlich praktischem Wesen bei Feuerbach als<br />
anschauenden Materialismus kritisiert. Diese Kritik trifft auch Freud.<br />
DAS ARGUMENT 92/1973 ©