Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Das Argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
758<br />
1 Besprechungen<br />
Gerade in der Entgegensetzimg von Recht und Ideologie, die der<br />
Verfasser häufig betont, bleibt dieser Zusammenhang außer Betracht.<br />
Wenn er abschließend hervorhebt, das Problem des Verfassungswandels<br />
sei „heute entscheidend durch die Aufgaben und Möglichkeiten<br />
des Bundesverfassungsgerichts geprägt" (102), so verdeutlicht<br />
ein Blick auf Entscheidungen der letzten Jahre, daß das Problem<br />
des Verfassungswandels und dabei die Rolle verfassungsgerichtlicher<br />
Rechtsprechung nur im Kontext jener antagonistischen<br />
Gegensätze und Herrschaftsinteressen zu diskutieren sind, die das<br />
gesellschaftliche System insgesamt prägen und dessen Teil das Rechtssystem<br />
ist.<br />
Christian Seegert (Bremen)<br />
Grimm, Dieter (Hrsg.): Rechtswissenschaft und Nachbarwissenschaften.<br />
Band 1. Athenäum Fischer Taschenbuch<br />
Verlag, Frankfurt/M. 1973 (287 S., br., 12,80 DM).<br />
Zu begreifen sind Entstehung und Funktionszusammenhang rechtlicher<br />
Verhältnisse und Normen nur dann, wenn diese als Momente<br />
der wesentlich von den ökonomischen Beziehungen bestimmten Totalität<br />
der gesellschaftlichen Verhältnisse verstanden werden. Der<br />
spezifisch juristischen Methode, welche die bürgerliche Rechtswissenschaft<br />
seit dem Abschluß der revolutionären Phase in der Entwicklung<br />
des Bürgertums und der Abkehr von den diese theoretisch ausdrückenden<br />
modernen Naturrechtssystemen beherrscht, kommt es<br />
auf das Begreifen'der Verhältnisse, mit denen sie zu tun hat, gerade<br />
nicht an. Diese Methode, am bewußtesten im Rechtspositivismus und<br />
der Begriffsjurisprudenz gegen Ende des letzten Jahrhunderts formuliert,<br />
begreift Rechtswissenschaft als von allen „Seinswissenschaften",<br />
denen die Erkenntnis der Wirklichkeit überlassen bleibt, streng<br />
geschiedene „Sollenswissenschaft". Nach eigenem Anspruch voraussetzungslos<br />
von der faktischen Existenz und Geltung von Rechtsverhältnissen<br />
und -normen ausgehend, beschränkt sie sich auf die Systematisierung,<br />
Interpretation und durch Präjudizien- und Lehrmeinungssammlung<br />
ergänzende Auslegung rechtlicher Regelungen, um<br />
diese auf konkrete Streitfälle anwendbar zu machen. Zur gesellschaftlichen<br />
Wirklichkeit verhält sie sich naiv-naturalistisch anschauend,<br />
von allen Verhältnissen nur die unmittelbare Erscheinung<br />
beachtend. So müssen denn alle verkehrten Erscheinungsformen, alle<br />
Mystifikationen, die die bürgerliche Gesellschaft produziert, in diese<br />
Wissenschaft eingehen und die unbezweifelte Grundlage bilden, von<br />
der sie ausgeht.<br />
Wenn heute von der bürgerlichen Jurisprudenz selbst die bloße<br />
Systematisierung, Interpretation und Ergänzung rechtlicher Regelungen<br />
zunehmend als unzureichend bemängelt und immer häufiger eine<br />
„Integration der Sozialwissenschaften" in die Juristenausbildung<br />
gefordert wird, so steht dahinter durchaus keine Kritik an den apologetischen<br />
Grundlagen der Rechtswissenschaft. Erfordert die juri-<br />
DAS ARGUMENT 92/1975 ©