Wiedergänger in der skandinavischen Literatur
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2.2. Abgrenzung des Begriffs <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong><br />
Der Tod e<strong>in</strong>es Menschen wird von den Riten des Übergangs („rites de passages“) begleitet.<br />
Der Anthropologe Arnold van Gennep hat dies <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studie im Jahr 1909 gezeigt. Alle<br />
Übergangsriten laufen demnach <strong>in</strong> drei Stadien ab. Bei e<strong>in</strong>em Todesfall s<strong>in</strong>d dies folgende:<br />
die Riten <strong>der</strong> Trennung, die Aufnahme des Leichnams und <strong>der</strong> Gang zum Friedhof. 12 Alle<br />
diese Schritte mussten sorgfältig und vollständig ausgeführt werden, denn nur dann war die<br />
Sicherheit <strong>der</strong> Lebenden wie auch die des Toten gewährleistet.<br />
Als „<strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>“ o<strong>der</strong> „Wi<strong>der</strong>gänger“ 13 werden Verstorbene bezeichnet, die im Grab ke<strong>in</strong>e<br />
Ruhe f<strong>in</strong>den und daher umgehen müssen. Wie sich schon aus <strong>der</strong> Bezeichnung <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong><br />
schlussfolgern lässt, kommt <strong>der</strong> Tote „wie<strong>der</strong>“.<br />
Als potentielle <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> galten alle Toten, die nicht, o<strong>der</strong> ohne die üblichen Rituale,<br />
bestattet wurden. Dazu zählten Menschen, <strong>der</strong>en Leiche nie gefunden wurde, wie Ertrunkene<br />
o<strong>der</strong> Verschüttete, und solche denen man Opfer, Grabbeigaben, Klage und Trauer, o<strong>der</strong>, im<br />
Falle e<strong>in</strong>es Fremd verschuldeten Todes, die Blutrache, verweigerte. <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> erschienen<br />
den Lebenden um ihr Recht e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n. Die Ersche<strong>in</strong>ungen hörten auf, sobald die<br />
<strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> o<strong>der</strong> Untoten bekamen was sie verlangten und erst danach war es ihnen<br />
möglich, Frieden zu f<strong>in</strong>den. Dies ist auch die Erklärung dafür, weshalb nicht ausnahmslos alle<br />
Toten als <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> <strong>in</strong> die Welt <strong>der</strong> Lebenden zurückkehren. Denn jemand <strong>der</strong> zu<br />
Lebzeiten die Möglichkeit hatte, all se<strong>in</strong>e Angelegenheiten zu regeln und abzuschließen, lief<br />
den Vorstellungen zu Folge nicht Gefahr nach se<strong>in</strong>em Ableben zum <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> zu<br />
mutieren.<br />
Wenn man die Textquellen über <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> betrachtet, so wie dies <strong>der</strong> französische<br />
Kulturwissenschaftler Claude Lecouteux 14 ausführlich und hauptsächlich für französische und<br />
deutsche Quellen getan hat, so ist beson<strong>der</strong>s auffällig, dass e<strong>in</strong>ige Personengruppen beson<strong>der</strong>s<br />
zum Wie<strong>der</strong>gehen neigten.<br />
Dabei handelte es sich um Menschen die auf irgende<strong>in</strong>e Weise während ihres Lebens von<br />
ihren Mitmenschen negativ wahrgenommen wurden und durch nicht konformes Verhalten<br />
12 Gennep: Les rites de passage, S. 14<br />
13 Die Schreibung bezieht sich nicht auf unterschiedliche Phänomene, son<strong>der</strong>n ist als Gelehrtendifferenzierung<br />
im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t entstanden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Bedeutungen festgelegt wurden: „wi<strong>der</strong>” für die Bedeutung<br />
„gegen” und „wie<strong>der</strong>” für die Bedeutung „abermals, erneut”. Die Wörter „wie<strong>der</strong>” und „wi<strong>der</strong>” gehen auf die<br />
gleiche Wurzel zurück.<br />
14 Siehe: Lecouteux: Geschichte <strong>der</strong> Gespenster und <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> im Mittelalter,<br />
Lecouteux: Das Reich <strong>der</strong> Nachtdämonen. Angst und Aberglaube im Mittelalter,<br />
Lecouteux: Die Geschichte <strong>der</strong> Vampire.<br />
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