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Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

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Im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t vermischt sich die Vorstellung von <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>n mit dem Glauben an<br />

Wechselbälger. Wechselbälger waren dämonisch gezeugte K<strong>in</strong><strong>der</strong>, die <strong>der</strong> Mutter<br />

untergeschoben wurden, <strong>in</strong>dem man sie an Stelle des eigenen <strong>in</strong> die Wiege gelegt wurden, wie<br />

es <strong>der</strong> Kuckuck im Tierreich macht. Im Verdacht menschliche Babys zu entführen und gegen<br />

ihre eigenen auszutauschen, standen böse Geister, Elfen und Hexen. Aber das K<strong>in</strong>d konnte<br />

auch vom Teufel mit e<strong>in</strong>er menschlichen Mutter gezeugt worden se<strong>in</strong>. Gottfried Voigt<br />

def<strong>in</strong>iert im Jahr 1667 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Abhandlung „Naturwissenschaftliche Untersuchung über<br />

untergeschobene K<strong>in</strong><strong>der</strong>“ Wechselbälger wie folgt: 83<br />

Untergeschobene K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Foetus, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>en Menschen darstellende Gestalt, die vom<br />

Teufel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gebärmutter <strong>der</strong> Zauber<strong>in</strong>nen aus Blut o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Materie gestaltet und<br />

erzeugt worden s<strong>in</strong>d und an die Stelle <strong>der</strong> richtigen K<strong>in</strong><strong>der</strong> untergeschoben wurden, die er selbst<br />

durch se<strong>in</strong>e Gegenwart bewegt und lenkt, um mit den Menschen se<strong>in</strong> Spiel zu treiben.<br />

Man kann e<strong>in</strong>en Wechselbalg an se<strong>in</strong>em missgestalteten Körper, e<strong>in</strong>er Missbildung o<strong>der</strong><br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung, und se<strong>in</strong>em unstillbaren Appetit erkennen. Dieses K<strong>in</strong>d verfügt über e<strong>in</strong>e<br />

übermenschliche Körperkraft und ist sehr musikalisch. Jakob Grimm nennt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

„Deutschen Mythologie“ weitere Bezeichnungen für Wechselbälger. Man nennt sie auch<br />

Dickköpfe wegen ihrer großen Köpfe und dicken Hälse, an<strong>der</strong>e Namen s<strong>in</strong>d „nhd. Kielkröpfe,<br />

lat. cambiones, schwed. byt<strong>in</strong>gar, dän. bitt<strong>in</strong>ger, f<strong>in</strong>n. luoti“. 84<br />

Man versuchte sich auch die <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>ersche<strong>in</strong>ungen mit Hilfe <strong>der</strong> Idee des<br />

Wechselbalgs zu erklären, die Untoten sollten eigentlich nur Sche<strong>in</strong>tot se<strong>in</strong>. Der Teufel habe<br />

sie entführt und an ihre Stelle e<strong>in</strong> Bild o<strong>der</strong> etwas, das man für den Toten selbst hält, gelegt.<br />

In so e<strong>in</strong>em Fall hat man nicht den eigentlichen Toten begraben, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Stellvertreter.<br />

„Incubus“ 85<br />

wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> christlichen gelehrten <strong>Literatur</strong> zum Schlüsselbegriff, für e<strong>in</strong>en<br />

männlichen Dämon, <strong>der</strong> alle diese Vorstellungen abdeckt und zusammenfasst.<br />

E<strong>in</strong>er jener christlichen Chronisten die <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>phänomene <strong>in</strong> ihren Werken beschrieben<br />

haben, ist Thietmar von Merseburg (975–1018 n.Chr.). 86 Die Chronik des Thietmar von<br />

Merseburg vermittelt als Quelle e<strong>in</strong>en umfassenden E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Gedankenwelt e<strong>in</strong>es vor<br />

tausend Jahren lebenden Klerikers, <strong>der</strong> sich um das Schicksal se<strong>in</strong>er Seele im Jenseits sorgte,<br />

von se<strong>in</strong>en Alpträumen und Charakterschwächen berichtete, an Omen und lebende Tote<br />

glaubte und sich auch um den Fortbestand se<strong>in</strong>es Bistums Gedanken machte. Er erteilte<br />

geistliche Belehrungen und sammelte Exempla, beispielhafte Erzählungen die zur Predigt<br />

dienten. Er reihte Tatsachen und Erzählungen ohne Überleitung ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, wobei er nicht<br />

83 Rohrmann, Eckhard: Mythen und Realitäten des An<strong>der</strong>s-Se<strong>in</strong>s, S. 59<br />

84 Jakob Grimm: Deutsche Mythologie. Bd.1, S. 387f<br />

85 „Auflieger“, von lat. <strong>in</strong>cubare für oben liegen, ausbrüten<br />

86 Thietmar von Merseburg, Chronik. E<strong>in</strong>leitung, S. IX-XII<br />

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