Wiedergänger in der skandinavischen Literatur
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ei den Skythen und den Griechen <strong>der</strong> Antike fand sich <strong>der</strong> Glaube, dass e<strong>in</strong>zelne Menschen<br />
sich alljährlich für e<strong>in</strong>ige Tage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wolf verwandeln würden. Es konnte sogar zu e<strong>in</strong>er<br />
pathologischen Ausprägung kommen, wenn <strong>der</strong> Betroffene krankhaft an se<strong>in</strong>e Verwandlung<br />
glaubte. Ärzte <strong>der</strong> Antike berichten von <strong>der</strong> Krankheit Lykanthropie 39 , e<strong>in</strong>er Art von<br />
Wahns<strong>in</strong>n, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Betroffene des Nachts wach herumlief und wie e<strong>in</strong> Wolf heulte. Auch<br />
<strong>in</strong> den nordischen Werwolfsagen gibt es e<strong>in</strong> pathologisches Moment. 40 Im Mittelalter fand<br />
sich <strong>der</strong> Glaube an Werwölfe bei allen keltischen, slawischen, germanischen und romanischen<br />
Völkern. In den Balkanlän<strong>der</strong>n war Werwolf gleichbedeutend mit Vampir. 41 „In <strong>der</strong><br />
Normandie kannte man den Werwolf auch als verwandelte Leiche e<strong>in</strong>es Verstorbenen“ 42 ,<br />
gleichgesetzt mit dem Phänomen des <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>s. Der unbeliebte englische König John<br />
Lackland 43 stand im Verdacht, nach se<strong>in</strong>em Tod als Werwolf umgegangen zu se<strong>in</strong>. 44 Nach<br />
den ältesten germanischen Begriffen wurde die Verwandlung <strong>in</strong> Wolfsgestalt durch e<strong>in</strong>en um<br />
den Leib gebundenen Riemen, genannt Wolfsgürtel, o<strong>der</strong> durch das Überwerfen e<strong>in</strong>es<br />
Wolfshemdes bewirkt. Der Verwandelte, welcher an dem abgestumpften Schweif von den<br />
natürlichen Wölfen zu unterscheiden war, nahm mit dem Aussehen zugleich das Heulen und<br />
die Wildheit e<strong>in</strong>es Wolfs an. Erst am zehnten Tag durfte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e menschliche Gestalt<br />
zurückkehren, wenn ihm nicht jemand die beiseite gelegten Klei<strong>der</strong> weggenommen hatte.<br />
Dem dänischen Volksglauben nach gab es auch Menschen, welche von Geburt an zum Dase<strong>in</strong><br />
als Werwolf bestimmt waren. Bei Tag zeigten sie sich <strong>in</strong> menschlicher Gestalt und<br />
verwandelten sich nur zu gewissen Zeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nacht. Von diesem Bann konnten sie nur<br />
dann frei wurden, wenn man sie Werwolf schalt. Dass sich <strong>der</strong> Glaube an dieses Phänomen<br />
ke<strong>in</strong>eswegs nur auf die frühe Neuzeit beschränkt, son<strong>der</strong>n immer noch existiert, beweisen<br />
Fälle aus Lettland und Estland. 45<br />
E<strong>in</strong> ähnliches Phänomen wie <strong>der</strong> Werwolf stellt <strong>in</strong> <strong>der</strong> germanischen Mythologie <strong>der</strong><br />
Berserker dar, was wortwörtlich soviel wie Bärenhäuter bedeutet. Berseker waren Krieger, die<br />
e<strong>in</strong> Hemd aus Bärenfell trugen. Man schrieb ihnen die Fähigkeit zu, sich tatsächlich <strong>in</strong> Bären<br />
verwandeln zu können, <strong>in</strong> diesem Fall muss man also von Werbären sprechen. 46 Das erste<br />
Mal taucht das Wort „Berserker“ im 12. Jahrhun<strong>der</strong>t auf.<br />
39 Borrmann,: Vampirismus o<strong>der</strong> die Sehnsucht nach Unsterblichkeit, S. 35<br />
40 Herrmann: Nordische Mythologie, S. 52<br />
41 Von denen Vampiren o<strong>der</strong> Menschensaugern, S. 511<br />
42 Ebenda.<br />
43 Johann Ohneland, König von England (1199-1216)<br />
44 Von denen Vampiren o<strong>der</strong> Menschensaugern, S. 511<br />
45 Siehe: Teufelsland. Dokumentarfilm 2008.<br />
46 Herrmann: Nordische Mythologie, S. 53<br />
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