Wiedergänger in der skandinavischen Literatur
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Das Wilde Heer und se<strong>in</strong> Anführer stehen auch <strong>in</strong> Beziehung zur Fruchtbarkeit. In Schweden<br />
glaubte man, dass e<strong>in</strong> Bauer mit schlechter Heuernte bestraft werden würde, wenn er den<br />
Pferden im Zug ke<strong>in</strong>e Grasbüschel opfern würde.<br />
In Skand<strong>in</strong>avien stellt die Gongfæla o<strong>der</strong> Gongferda e<strong>in</strong> ähnliches Phänomen dar. Dabei zieht<br />
e<strong>in</strong>e Gruppe bestehend aus Verstorbenen herum. Sie bewegt sich nachts über die Erde ohne<br />
sie zu berühren. Ihre Ankunft kündigt sich durch e<strong>in</strong> dumpfes Murmeln o<strong>der</strong> auch S<strong>in</strong>gen an.<br />
Wenn man diesem Zug <strong>der</strong> Toten begegnet, muss man sich flach auf den Boden ausstrecken,<br />
sonst wird man mitgerissen. An<strong>der</strong>e Quellen raten, den Zug nicht zu beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und zur Seite<br />
zu treten. Man soll die Toten vorbeiziehen lassen - „lad de døde fare vorbi!“ 176 .<br />
In <strong>der</strong> Altnordischen <strong>Literatur</strong> s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Züge von Toten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Überlieferung erhalten. Ob es<br />
diese Vorstellung gar nicht gab, lässt sich nicht sagen. 177 Erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> mittelalterlichen <strong>Literatur</strong><br />
Norwegens tritt wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Totenheer auf. Draumkvæde, das Traumlied ist e<strong>in</strong> Bespiel<br />
norwegischer Visionsliteratur, die mündlich weitergegeben, Generationen von Autoren<br />
bee<strong>in</strong>flusst hat. Dieses Volkslied wird auf das 13. Jahrhun<strong>der</strong>t zurückgeführt und enthält<br />
sowohl heidnische wie auch christliche Motive. Im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde es erstmals nach<br />
mündlichen Überlieferungen aufgeschrieben. In diesem Lied werden die mystischen Visionen<br />
von Olav Asteson beschrieben, die ihn <strong>in</strong> den 13 Nächten um Weihnachten bis zum Heiligen-<br />
Drei-Königs-Tag heimsuchten. 178 Asteson berichtet von zwei Armeen, die sich auf dem Weg<br />
zum Jüngsten Gericht, vor ihren Richter im Jenseits, bef<strong>in</strong>den. Die erste Armee ist das Herr<br />
<strong>der</strong> Verdammten, sie kommt von Norden, begleitet von großem Lärm, angeführt von Grutte<br />
Gráskeggi, <strong>in</strong> Varianten mit schwarzem Hut und auf e<strong>in</strong>em schwarzen Pferd. Diese Figur<br />
kann man als dämonisierten Od<strong>in</strong> identifizieren, <strong>der</strong> manchmal dieselben Attribute führt. Die<br />
zweite ist die Armee <strong>der</strong> Seeligen. Sie kommt von Süden und wird vom Heiligen Michaelvon-den-Seelen<br />
(Be<strong>in</strong>ame: „sankte såle Mikkjel“ 179 ), <strong>in</strong> Begleitung von Jesus Christus,<br />
angeführt. In Skand<strong>in</strong>avien ist <strong>der</strong> Heilige Michael <strong>der</strong> Seelenführer und Begleiter <strong>der</strong> Toten.<br />
In <strong>der</strong> Michaels Saga steht <strong>der</strong> Heilige Michael, von Osten kommend, an <strong>der</strong> Spitze des<br />
Engelsheeres. Die Engel kämpfen gegen e<strong>in</strong>e Teufelshorde, die aus dem Norden kommt. Hier<br />
hat e<strong>in</strong>e Umdeutung viel älterer Vorstellungen stattgefunden, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretatio Christiana<br />
sozusagen. Engel und Teufel kämpfen gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> um die Seelen <strong>der</strong> Menschen, die guten<br />
Menschen werden selbst zu Engeln.<br />
176 Lecouteux: Das Reich <strong>der</strong> Nachtdämonen, S. 99<br />
177 Gundarsson: The Folklore of the Wild Hunt and the Furious Host.<br />
178 Lecouteux: Das Reich <strong>der</strong> Nachtdämonen, S. 59<br />
179 Ebenda.<br />
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