Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

werden, ohne dass diese Aufenthaltsorte einander ausschließen.“ 22 Wenn er in einem
Grabhügel beerdigt wurde und danach in der Nähe von diesem gesehen wurde, schließt das
ein gleichzeitiges Erscheinen in beispielsweise seinem Haus nicht aus. Diese Vorstellung trifft
man auch in der Sagaliteratur an. Wie Thorodd in der Eyrbygga Saga kann der Verstorbene
gleichzeitig im Meer und unter den Lebenden sein. 23
2.3. Die Entstehung von Wiedergängern
Man versuchte die Entstehung von Wiedergängern zu verhindern respektive es den
Verstorbenen unmöglich zu machen ihr Grab zu verlassen. Diese Gegenmaßnahmen zeigen
natürlich regionale Prägungen, zugleich aber auch auffällige Gemeinsamkeiten in
unterschiedlichen Kulturkreisen. Unumgänglich war es grundsätzlich die gültigen
Trauerrituale strengstens genau einzuhalten. 24 Der Zeitraum vor der Bestattung war besonders
gefährlich, weil die Seele sich noch einige Tage in der Nähe des Körpers aufhält. 25 In diesem
Zeitraum ist der Tote noch „mit einer gewissen Form des Lebens“ 26 ausgestattet. Demzufolge
waren zahlreiche Mittel und Methoden vorhanden, um die Entstehung eines Wiedergängers
zu verhindern. So sollten weder Mondlicht noch Schatten auf den aufgebahrten Leichnam
fallen. Spiegel und spiegelnde Wasserbehälter mussten abgedeckt werden. Als Schutzmittel
drückte man den Toten die Augen zu, verstopfte ihnen Mund und Nase. Man legte ihnen mit
Gras bewachsene Erdschollen, oder andere Gegenstände, in den Mund oder auf die Stirn, wie
eine Münze, Steinchen, Metallstücke, Glasperlen, Dornen, eine Zitrone, ein Wachskreuz oder
Knoblauch. Der Knoblauch gilt noch heute in der Naturmedizin als eines der universellsten
Heilmittel überhaupt und wird besonders wegen seiner antibakteriellen und antimykotischen
Wirkung geschätzt. Als Mittel und Waffe gegen das Böse in der Vampirliteratur ist die
scharfe Knolle jedoch zu Weltruhm gelangt. Alle harten, unvergänglichen Materialien wurden
deshalb verwendet, damit der Tote sie auch in Ewigkeit nicht aufessen und so nie sein Grab
verlassen könne. Es war auch gebräuchlich, dass der Tote die Münze als Bezahlung für die
Überfahrt ins Jenseits brauchen würde. Weiters legte man dem Toten ein Gebetsbuch, ein
Kreuz, ein Brett oder einen Ziegelstein unter das Kinn, dadurch konnte er den Mund nicht
mehr öffnen. Um die Entstehung eines Nachzehrers zu verhindern, musste man drauf achten
22 Ström: Germanische und baltische Religion, S. 182
23 Böldl: Die Saga von den Leuten auf Eyr, S. 123f
24 Meister: Unabgeschlossene Beziehungen, S. 93
25 Lecouteux: Geschichte der Vampire S. 47
26 Ebenda, S. 48
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