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Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

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Der Tierverkleidung haftet etwas Mystisches an. Die Maskierung wurde als Verwandlung erlebt,<br />

und zwar sowohl von den Zuschauern wie auch vom Maskierten selbst. Wenn sich e<strong>in</strong> Tänzer o<strong>der</strong><br />

Krieger <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Bärenfell kleidete, g<strong>in</strong>g die Kraft des wilden Tieres - natürlich im übertragenen<br />

S<strong>in</strong>ne - auf ihn über. Er wirkte und fühlte sich stark wie e<strong>in</strong> Bär. Das Berserkertum läßt sich als<br />

die nordische Son<strong>der</strong>entwicklung e<strong>in</strong>es Tiermaskenbrauchs beurteilen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> uralten<br />

Maskenkulten wurzelt. 47<br />

In <strong>der</strong> germanischen Mythologie stellte man sich die Seelen Verstorbener als Hunde, Wölfe<br />

o<strong>der</strong> Bären vor. Im Falle des Hundes spricht man diesbezüglich auch von Kynanthropie. In<br />

<strong>der</strong> germanischen Mythologie spielen Tiere ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große Rolle. Dieser Mythologie<br />

zufolge ist Od<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Göttervater, e<strong>in</strong> Meister <strong>der</strong> Magie, dem die Tiere dienen. Er wird von<br />

Wölfen und Raben, den Tieren des Schlachtfeldes, begleitet. Wenn er <strong>in</strong> Asgard thront, sitzen<br />

ihm die Wölfe Geri und Freki („<strong>der</strong> Gierige” und „<strong>der</strong> Gefräßige”) zu Füssen und die Raben<br />

Hug<strong>in</strong> und Mun<strong>in</strong> („Gedanke“ und „Er<strong>in</strong>nerung") berichten ihm von den Geschehnissen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Welt.<br />

E<strong>in</strong> fester Bestandteil <strong>der</strong> mittelalterlichen Kosmographie war <strong>der</strong> Glaube, dass es <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en,<br />

unerforschten o<strong>der</strong> unbekannten Teilen <strong>der</strong> Welt Völker, so genannte „Wun<strong>der</strong>völker“ gibt,<br />

die sich durch bestimmte körperliche Merkmale, wie lange Ohren o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en fehlenden Mund<br />

auszeichnen, o<strong>der</strong> aber durch ihr soziales Leben als „an<strong>der</strong>s“ o<strong>der</strong> „wun<strong>der</strong>bar“ erschienen.<br />

Darunter gibt es Völker, die sich durch die Wahl ihrer Nahrung auszeichnen, dazu gehören<br />

Anthropophagi, sie essen Menschenfleisch, s<strong>in</strong>d also Menschenfresser, Kannibalen. 48<br />

Kannibalismus kann <strong>in</strong> verschiedene Untergruppen unterteilt werden: 1. Profaner<br />

Kannibalismus, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Ausnahmesituationen unter Menschen <strong>in</strong> Not auftritt, wenn<br />

beispielsweise e<strong>in</strong>e Hungersnot herrscht. 2. Gerichtlicher Kannibalismus wurde aus Rache als<br />

Lynchjustiz durchgeführt, um dem Verbrecher durch die totale Vernichtung se<strong>in</strong>es Körpers<br />

die größtmögliche Schande zuzufügen. 3. Magischer Kannibalismus wird meist von<br />

Zauberern o<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>männern ausgeführt um sich die Kräfte ihres Opfers e<strong>in</strong>zuverleiben.<br />

4. Ritueller Kannibalismus an Menschenopfern wurde im Zuge von Götterkulten, Initiationso<strong>der</strong><br />

Todesriten durchgeführt. 49<br />

47 Zitat Otto Höfler (* 1901 – 1987) Professor für germanische Altertumskunde und Philologie, Wien.<br />

48 Simek: Altnordische Kosmographie S. 229<br />

49 Borrmann: Vampirismus o<strong>der</strong> die Sehnsucht nach Unsterblichkeit S. 29-32<br />

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