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Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

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In dieser Geschichte kann Gudrun den <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>, o<strong>der</strong> „Afturganga“, an zwei<br />

Merkmalen, von se<strong>in</strong>er gruseligen Gestalt e<strong>in</strong>mal abgesehen, erkennen. Geister wie<strong>der</strong>holen<br />

sich ständig und sie können den Namen „Gott“ nicht aussprechen. „Gott“, <strong>in</strong>s Isländische<br />

übersetzt, bedeutet „Gud“ und das war auch <strong>der</strong> Grund, weshalb das Gespenst <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

isländischen Fassung des Märchens Gudruns Namen nicht aussprechen konnte und sich<br />

deshalb mit „Garun“ behalf und somit demaskiert werden konnte.<br />

E<strong>in</strong> estnisches Volksmärchen ist „Der Mond sche<strong>in</strong>t, <strong>der</strong> Tote fährt“ 257 . In diesem<br />

Volksmärchen kommt <strong>der</strong> verstorbene Ehemann zu se<strong>in</strong>er Witwe zurück und for<strong>der</strong>t von ihr<br />

etwas zu essen. Doch se<strong>in</strong>e ungewöhnlichen Essgewohnheiten machen ihn für neugierige<br />

Nachbarsk<strong>in</strong><strong>der</strong> verdächtig:<br />

"Der Mann <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ist nach Hause gekommen und isst. Die Erbsen schält er, und die<br />

Hühnereier isst er mit <strong>der</strong> Schale. Das ist bestimmt ke<strong>in</strong> Mensch!"<br />

Nach dem Essen fahren <strong>der</strong> Mann und die Witwe im Schlitten davon. Der Mann gibt <strong>der</strong> Frau<br />

die Hand e<strong>in</strong>es Menschen und sagt: „Iss!“ Die Frau aber legt die Hand auf den Boden des<br />

Schlittens.<br />

Der Mann sagt: "Der Mond sche<strong>in</strong>t, <strong>der</strong> Tote fährt, me<strong>in</strong>e Schöne, me<strong>in</strong>e Liebe,<br />

fürchtest du dich?"<br />

Die Frau erwi<strong>der</strong>t: "Warum soll ich mich fürchten, wenn doch me<strong>in</strong> Liebster bei mir ist."<br />

Der Mann ruft: "Hand, wo bist du?"<br />

"Auf dem Boden des Schlittens!" erwi<strong>der</strong>t die Hand.<br />

"Warum hast du sie nicht gegessen?" fragt <strong>der</strong> Mann.<br />

"Ich werde sie schon essen", entgegnet die Frau.<br />

Diese Episode wie<strong>der</strong>holt sich noch zwei Mal und jedes Mal versteckt die Frau die Hand. Als<br />

die Hand erwi<strong>der</strong>t, dass sie unter ihrem Herzen sei, nimmt <strong>der</strong> Mann an, dass sie sie gegessen<br />

habe. Daraufh<strong>in</strong> fahren sie auf den Friedhof, wo <strong>der</strong> Mann e<strong>in</strong> Grab aushebt. Die Frau täuscht<br />

den Mann, <strong>in</strong>dem sie ihre Klei<strong>der</strong> über e<strong>in</strong> Kreuz hängt, welches <strong>der</strong> Mann zu sich <strong>in</strong>s Grab<br />

zieht. Sie versteckt sich <strong>der</strong>weil beim Pastor. Der nimmt den Eher<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Frau, setzt ihn auf<br />

e<strong>in</strong>e Pflugspitze und erhitzt beides <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Ofen. Der Mann greift nach dem R<strong>in</strong>g und<br />

verschw<strong>in</strong>det daraufh<strong>in</strong> mit so großem Getöse und Gepolter, dass die Türpfosten und die<br />

Schornste<strong>in</strong>e vom Hause des Pastors herabfallen.<br />

257 Der Mond sche<strong>in</strong>t, <strong>der</strong> Tote fährt In: Estnische Volksmärchen. Hrsg. von Richard Viidalepp. München 1990,<br />

Nr. 51. (AT 365, Estland)<br />

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