Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

5.6. Lenore in Skandinavien
Die Ballade nach dem Typ „Lenore“, jener Balladen Form also, mit einem auferstandenen
Toten als Motiv, ist auch in vielen skandinavischen Varianten bekannt. Auch wenn in diesen
Versionen der Geist des Verlobten nicht zurückkehrt, um von seinem Eheversprechen
entbunden zu werden, so bleibt doch die Trauer der hinterbliebenen Verlobten, der den Geist
nicht seine letzte Ruhe finden lässt. Da die tagelange Trauer seiner Braut, ihn in seiner
Totenruhe stört, steht er aus seinem Grab auf um sie zu Bitten, mit dem Weinen aufzuhören
und nicht weiter um ihn zu trauern.
Die Zeit, die der Geist oder Wiedergänger außerhalb seines Grabes verbringen kann ist, meist
bis zum ersten Hahnenschrei, begrenzt. Danach muss er zurück in seinem Grab sein.
In einer der zwei existierenden Varianten der dänischen Ballade „Fæstemanden i Graven“ 225
(Der Bräutigam im Grab), abgedruckt in der Sammlung „Danmarks gamle folkeviser“ als Nr.
90, kommt die Trauernde dem Wunsch ihres toten Bräutigams nicht nach. Sie betet für ihre
Erlösung und stirbt schließlich an ihrem Kummer.
Bei „Axel og Valborg“ handelt es sich um eine weitere Ballade vom Typ „Lenore“. Adam
Oehlenschläger hat diesen Stoff in seinem gleichnamigen Drama verarbeitet und 1810
veröffentlicht. 226 „Oehlenschläger fand den Text in der Sammlung Levninger von 1780 und
komponierte selbst eine Melodie, im Stil der Volksballaden, dazu. Vier Jahre später nahmen
sie Nyerup und Rahbek in ihren Melodienanhang 227 auf.“ 228
Diese Ballade ist auch nach „Aage og Else“, den beiden sich liebenden Hauptpersonen
bekannt. Oehlenschläger berichtet darin vom Ritter Aage, der in seiner Hochzeitsnacht
verstorben ist, worüber Else, seine Braut so unglücklich und untröstlich ist, dass ihre Trauer
ihn zwingt, aus dem Grab wiederzukommen. So kommt Aage eines Nachts zu ihr, mit seinem
Sarg am Rücken und Erde in den Haaren.
Der Ritter Aage berichtet Else, wie in Strophe 17 229 , von seiner Qual und jedes Mal wenn sie
um ihn weint, füllt sich sein Sarg erneut mit Blut.
For huer en gang du greder for mig,
din hu giøris mod:
da staar min kiste for inden fuld
med leffret blod.
225 DgF, DgF 90 S. 492
226 Siehe: Oehlenschläger: Axel og Valborg, S. 135-262
227 Siehe: Nyerup; Rasmussen: Udvalg af danske viser fra midten af det 16de aarhundrede til henimod midten af
det 18de, med melodier.
228 Kuhn: Folkevise und Dänentum, S. 82
229 DgF, Version A, S. 495
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