Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

„Nach-Geher“ bedeutet, bekannt. Der draugr ist der klassische Wiedergänger, wie er
typischerweise in isländischen Sagas auftritt. 103
Welcher Name in diesem Zusammenhang auch verwendet wird, die Untoten in Skandinaven
haben als Gemeinsamkeit weiterhin einen physischen Körper, also den Leichnam des
Verstorbenen. Auch wenn der Begriff „Geist” in den Sagas zur Beschreibung dieses
Phänomens verwendet wird, ist diese Bezeichnung doch unzulässig. Denn der modernen
Auffassung nach, versteht man unter einem Geist oder Gespenst ein körperloses ätherisches
Wesen.
Die Beschreibungen der körperlichen Eigenschaften der Wiedergänger in den Sagas selbst
verstärkten nur den Eindruck einer Leiche. Der Untote wird als hel-blár („blau wie der Tod“)
oder ná-folr („leichen-blass“) beschrieben. In der Eyrbyggja Saga wird von einem Hirten
berichtet, der von einem draugr tötet und damit selbst zu einem Untoten wird. Auf diese Art
setzt sich dieser Kreislauf fort, Untote kreieren neue Untote. Der Autor hat im Falle der
Eyrbyggja Saga die Teile der Erzählung, in denen es um übersinnliche Ereignisse geht,
besonders realitätsnah und plastisch gestaltet und mit detaillierten Beschreibungen
ausgeschmückt. 104 Nach dem Angriff des Untoten wird der Hirte als kohlschwarz und mit
keinem heilen Knochen mehr im Körper beschrieben. 105 Der draugr der den Hirten in der
Eyrbygga Saga getötet hat, erscheint auch hel-blár bei der Exhumierung. 106 Glamr, der Untote
Hirte aus der Grettirs Saga wird als dunkelblau in der Farbe beschrieben. 107 In der Laxdaela
Saga werden die sterblichen Überreste einer Hexe exhumiert, weil sie den Lebenden in
Träumen erschienen ist. Die Knochen der Toten waren „blue and evil looking“ 108 .
Die Schwarzfärbung des Körpers ist nicht nur nach dem Zusammentreffen mit einem
Wiedergänger, sondern allgemein nach Kämpfen mit feindlichen Wesen mehrmals belegt
worden. In der Grettis Saga stellt sich die Schwarzfärbung ein, obwohl der Held den Unhold
besiegt. 109
Die Blaufärbung der Haut wie sie in den Isländischen Sagas in Bezug auf Wiedergänger
beschrieben wird, kann auch ein Produkt der Verwesungsprozesse des Körpers nach dem Tod
sein. Nachdem der Blutkreislauf gestoppt ist, senkt sich das Blut in die Kapillaren ab und
bleibt entsprechend der Schwerkraft in den am tiefsten liegenden Körperteilen liegen, man
103 Chadwick: Norse Ghosts (A Study in the Draugr and the Haugbui). S. 51
104 Böldl: Die Saga von den Leuten auf Eyr, S. 9
105 Ebenda, S. 81
106 Eyrbyggja Saga, S. 187
107 Grettirs Saga, S. 72
108 Laxdaela Saga, S. 235
109 Ebenda, S. 169
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