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Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

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erlebte. Zu den ersten erhaltenen Texten zählen Übersetzungen von europäischen<br />

Kirchenschriften.<br />

3.2. <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong> <strong>in</strong> den Islän<strong>der</strong>sagas<br />

Die Wik<strong>in</strong>ger trennten Körper und Seele nicht. Sie g<strong>in</strong>gen mit dem traditionellen<br />

abendländischen Seelenbegriff, den die Griechen begründet hatten, nicht konform. 93 Für die<br />

Wik<strong>in</strong>ger bedeutete <strong>der</strong> Tod nicht zwangsläufig das Ende ihrer Existenz. Aus diesem Grund<br />

begriffen sie den Tod auch nicht als Trennung <strong>der</strong> Seele vom Körper. Für sie war <strong>der</strong><br />

Verstorbene zwar tot, aber auch noch irgendwie lebendig. 94 Dieses Leben nach dem Tod trat<br />

unmittelbar e<strong>in</strong> und war weniger ruhmreich als die Geschichten über Wallhall o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Himmel des Christentums es prophezeien. Nachdem <strong>der</strong> Körper des Verstorbenen <strong>in</strong> die Erde<br />

gelegt wurde, wurde dieser „animated with a strange life and power“ 95 , so glaubte man. Von<br />

diesem Zeitpunkt an lebte <strong>der</strong> Verstorbene dort, wo man ihn h<strong>in</strong>gebettet hatte. Er besaß<br />

weiterh<strong>in</strong> menschliche S<strong>in</strong>ne, Gefühle und Bedürfnisse. 96 Die tote Person führte weiterh<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Art von Leben <strong>in</strong> ihrem Grab, nicht als Geist o<strong>der</strong> Gespenst, son<strong>der</strong>n als untote Leiche;<br />

vergleichbar mit dem Phänomen des Vampirs <strong>in</strong> Zentraleuropa. 97 Die wichtigste<br />

Geme<strong>in</strong>samkeit ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang die Körperlichkeit <strong>der</strong> Untoten.<br />

In <strong>der</strong> isländischen Überlieferung s<strong>in</strong>d verschiedene Namen für die Untoten bekannt. Der<br />

„haugbúi“ 98 war dem Namen nach e<strong>in</strong> Grabhügel-Bewohner, dessen toter Körper <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Grab weiterlebte. Der haugbúi war nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren Nähe se<strong>in</strong>er Begräbnisstätte<br />

anzutreffen. Dieser Typus des <strong>Wie<strong>der</strong>gänger</strong>s ist hauptsächlich <strong>in</strong> den norwegischen Sagas zu<br />

f<strong>in</strong>den. 99<br />

Der Begriff „draugr“ 100 bezeichnet e<strong>in</strong>en umherwandelnden Toten. „The animated corpse that<br />

comes forth from its grave mound, or shows restlessness on the road to burial.” 101 Das<br />

Phänomen des draugr ist auch unter dem Namen „aptrgangr“ 102 , was wortwörtlich soviel wie<br />

93 Ström: Germanische und baltische Religion, S. 175<br />

94 Ebenda, S. 181<br />

95 Ellis-Davidson: The Road to Hel, S. 96<br />

96 Ström: Germanische und baltische Religion, S. 183<br />

97 Ellis-Davidson: The Road to Hel, S. 92<br />

98 altnord. haugr bedeutet Grabhügel, altnord. Plural haugbuiar<br />

99 Chadwick: Norse Ghosts (A Study <strong>in</strong> the Draugr and the Haugbui). S. 51<br />

100 altnord. Plural draugar<br />

101 Ellis-Davidson: The Road to Hel, S. 80<br />

102 Ström: Germanische und baltische Religion, S. 185<br />

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