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Wiedergänger in der skandinavischen Literatur

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In <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> England die systematische Archivierung<br />

alter Volksballaden. In England gehört Thomas Percys bereits erwähnte Sammlung „Reliques<br />

of Ancient English Poetry“ (1765) zu den bedeutendsten Werken. In Deutschland wird Her<strong>der</strong><br />

mit se<strong>in</strong>en „Volkslie<strong>der</strong>n“ (1778/1779) bekannt. Auf diese Sammlungen folgten zahlreiche<br />

Nachdichtungen englisch-schottischer und dänischer Balladen. Der Staat Dänemark begann,<br />

bereits im 16. und 17. Jahrhun<strong>der</strong>t, Volksballaden wie auch Heldenlie<strong>der</strong> offiziell zu<br />

sammeln. Dies geschah mitunter auch aus nationalistischen Bestrebungen heraus, denn oft<br />

waren Könige und Schlachten die Hauptthemen <strong>in</strong> diesen Balladen, wobei e<strong>in</strong> historische<br />

Bezug meistens fehlte. Der Grund hierfür war ebenso simpel wie e<strong>in</strong>fallsreich, denn die<br />

Geschichten um Mord, Ehebruch und an<strong>der</strong>e Missetaten waren oft nur erfunden und diesen<br />

bekannten Personen angedichtet und unterstellt worden.<br />

Neben solchen staatlichen Sammlungen entstanden aber auch Handschriftliche. Der<br />

Unterschied zwischen Dänemark und Schweden war, dass es <strong>in</strong> Schweden bei den<br />

handschriftlichen Sammlungen blieb, während <strong>in</strong> Dänemark schon 1591 hun<strong>der</strong>t solche<br />

Lie<strong>der</strong> im Druck erschienen. 197<br />

Im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t setzte sich <strong>der</strong> Glaube durch, <strong>in</strong> <strong>der</strong> neu entdeckten Volksballade<br />

manifestiere sich nicht nur die Geschichte und e<strong>in</strong> sich daraus entwickeln<strong>der</strong>, kollektiver<br />

Seelenzustand, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e Art ästhetischer Norm. Die Balladen von Ludwig Christoph<br />

He<strong>in</strong>rich Hölty stellten im deutschsprachigen Raum den ersten Verweis auf Percys Sammlung<br />

dar. In diesem Zusammenhang wird Hölty oft als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> ersten deutschen Balladendichter<br />

bezeichnet. Aber lediglich Gottfried August Bürgers Ballade „Lenore“ wird Epochen<br />

bestimmend. Die Stimmung <strong>in</strong> „Lenore“ entspricht exakt dem Ton <strong>der</strong> alten Balladen. Jener<br />

Stimmung Bürgers folgend, wird die naturmagische Geister- und Schauerballade zum<br />

vorherrschenden Balladentyp <strong>der</strong> Epoche des „Sturm und Drang“, zu <strong>der</strong>en wichtigsten<br />

Vertretern, neben Bürger auch <strong>der</strong> junge Goethe, speziell mit se<strong>in</strong>er ergreifenden Ballade<br />

„Erlkönig“ zu zählen ist. 198 Auch Goethe beschäftigte sich mit dem Sammeln von<br />

Volksballaden, die er bevorzugt im Elsaß, <strong>der</strong> Gegend westlich des südlichen Oberrhe<strong>in</strong>s<br />

ausf<strong>in</strong>dig machte. Mehr über den Erlkönig und dessen Vorbil<strong>der</strong> aus dem Volkslied im<br />

Kapitel 5.6. 199<br />

197 Kuhn: Folkevise und Dänentum, S. 79<br />

198 Schweikle: Germanisch - deutsche Sprachgeschichte im Überblick, S. 379<br />

199 Siehe S. 76<br />

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