Wiedergänger in der skandinavischen Literatur
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Volksballaden und Heldenlie<strong>der</strong> gelten als die Vorgänger <strong>der</strong> Kunstballade. Heldenlie<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d<br />
als die ersten Balladen überhaupt zu bezeichnen. Das e<strong>in</strong>zig erhaltene deutsche Heldenlied ist<br />
das für die althochdeutsche <strong>Literatur</strong> so bedeutende „Hildebrandslied“, das um 800 n.Chr.<br />
entstanden ist. Wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten altgermanischen Versdichtung wurde beim<br />
Hildebrandslied <strong>der</strong> Stabreim, genauer gesagt die stabreimende Langzeile, verwendet. Die<br />
Wurzeln <strong>der</strong> Stabreimdichtung s<strong>in</strong>d mündlichen Ursprungs. Im 8. Jahrhun<strong>der</strong>t .n.Chr. s<strong>in</strong>d vor<br />
allem Geistliche fähig <strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer Schrift zu schreiben, deshalb ist e<strong>in</strong> großer Teil <strong>der</strong><br />
ersten überlieferten Stabreimverse christlich orientiert. Die Verse <strong>in</strong> Stabreim wurden<br />
teilweise auch dazu verwendet, um den Heiden das Christentum nahe zu br<strong>in</strong>gen. Heidnischen<br />
Werken wurde wenig Aufmerksamkeit zuteil, oft ist ihre Überlieferung auch nur e<strong>in</strong>em<br />
glücklichen Zufall zu verdanken. Aus England und Skand<strong>in</strong>avien gibt es mehr<br />
Überlieferungen, denn <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n ließ sich die Geistlichkeit weit mehr auf den<br />
Stabreim e<strong>in</strong>, als es <strong>in</strong> Deutschland <strong>der</strong> Fall war. Das Hildebrandslied wurde beispielsweise<br />
auf die erste und letzte Seite e<strong>in</strong>es geistlichen Codex geschrieben. Da <strong>der</strong> Platz aber nicht<br />
ausreichte, blieb das Lied jedoch unvollständig. In dieser Dichtung ist die konzentrierte<br />
Erzählform als Dramatisches Element enthalten, mit welcher später auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />
Kunstballade Spannung erzeugt wird und e<strong>in</strong>e Handlung möglichst knapp und präzise<br />
wie<strong>der</strong>gegeben werden kann. 194<br />
Die Volksballade wendet sich e<strong>in</strong>em bürgerlichen Publikum zu und befriedigt mit Themen<br />
wie K<strong>in</strong>dsmord, Verführung, Untreue und Verrat die Sensationssucht ihrer Hörer und Leser.<br />
Die mündliche Überlieferung führte allerd<strong>in</strong>gs durch e<strong>in</strong> so genanntes „Zers<strong>in</strong>gen“<br />
kont<strong>in</strong>uierlich zu Textverlusten, die entwe<strong>der</strong> „von <strong>der</strong> langen Überlieferung im Volksmunde<br />
und vom Versagen des Gedächtnisses <strong>der</strong> Traditionsträger verursacht se<strong>in</strong> [kann], aber auch<br />
durch den Gebrauch von poetischen o<strong>der</strong> veralterten Worten, die dem Traditionsträger<br />
fremdartig erschienen o<strong>der</strong> sogar unverständlich waren“ 195 . In <strong>der</strong> Kunstballade setzen sich<br />
wichtige Elemente <strong>der</strong> Volksballadentradition wie Ursprünglichkeit, Spontanität und Naivität<br />
fort. Die volkstümlich-schlichte Diktion und die alt bewährten Motive wurden ebenfalls aus<br />
<strong>der</strong> Volksdichtung übernommen. H<strong>in</strong>zu kommt jedoch die symbolische Gestaltung, die ihre<br />
Bedeutung aus <strong>der</strong> Zeitnähe, Individualisierung und Durchdr<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Vorgänge des<br />
Balladenpersonals gew<strong>in</strong>nt. 196<br />
194 Weißert: Ballade, S. 51f<br />
195 Rossel, Sven Hakon: Das literarische Lied <strong>in</strong> <strong>der</strong> dänischen Volkstradition, S. 79<br />
196 Freund-Spork; Freund: Die Ballade, S. 18-22<br />
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