Wiedergänger in der skandinavischen Literatur
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5.2. Lenore bei Gottfried August Bürger<br />
Die heute noch bekannteste Ballade unter all jenen, die sich dem Wiedgänger-Motiv<br />
gewidmet haben, ist, nicht zuletzt se<strong>in</strong>er schaurig-schönen Stimmung wegen, Gottfried<br />
August Bürgers, Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts entstandene „Lenore“. Bürger hat mit diesem<br />
Werk e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> ersten Kunstballaden geschaffen und im Zuge dessen auch die volkstümliche<br />
Poesie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kunstballade erneuert.<br />
Der erste Abdruck <strong>der</strong> „Lenore“ erschien 1774 im Gött<strong>in</strong>ger Musenalmanach. Bei dieser<br />
Ballade handelte es sich um Bürgers umfangreichstes Werk, <strong>in</strong> dem er, <strong>in</strong> 32 Versen vom<br />
Schicksal <strong>der</strong> jungen Lenore und von zeitgenössischen Kriegswirren erzählt.<br />
Lenores Verlobter Wilhelm war im Jahr 1757 im Gefolge von Friedrich II., Markgraf und<br />
Kurfürst von Brandenburg und König <strong>in</strong> Preußen, im Zuge des Siebenjährigen Kriegs 200 <strong>in</strong><br />
den Kampf gezogen. Am 6. Mai 1757 kam es zur Schlacht bei Prag 201 , <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wilhelm<br />
ansche<strong>in</strong>end auch gefallen ist. Nach Kriegsende 1763 wartet Lenore vergebens auf e<strong>in</strong><br />
Lebenszeichen ihres Geliebten. Niemand von den Heimkehrern kann ihr über das Verbleiben<br />
ihres Verlobten Auskunft geben. Wilhelm kommt nicht mehr aus dem Krieg zurück. In ihrer<br />
Verzweiflung ha<strong>der</strong>t Lenore mit Gott und spricht vor ihrer Mutter, die sie mit religiösen<br />
Reden zu Beruhigen versucht, davon, sich selbst das Leben zu nehmen. In <strong>der</strong> darauf<br />
folgenden Nacht hört die we<strong>in</strong>ende Lenore e<strong>in</strong>en Reiter von se<strong>in</strong>em Pferd absteigen und nach<br />
ihr rufen. Wilhelm ist zu ihr gekommen. Er for<strong>der</strong>t sie auf sich rasch anzuziehen und sich zu<br />
ihm auf se<strong>in</strong> Pferd zu schw<strong>in</strong>gen. Wilhelm könne nicht bleiben, sie müssten sofort losreiten,<br />
damit er Lenore noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> selben Nacht zur (Toten-)Hochzeit und <strong>in</strong> ihr Brautbett br<strong>in</strong>gen<br />
könne. Mir Lenore h<strong>in</strong>ter sich, die sich fest an die Mähne des Pferdes klammert, geht es <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em höllischen Tempo Richtung Friedhof. Alle Geister und Hexen, die ihren Weg kreuzen,<br />
lädt Wilhelm zur Hochzeitsfeier e<strong>in</strong>. Doch als das Brautpaar ihr Ziel endlich erreicht hat,<br />
beg<strong>in</strong>nt Wilhelm sich plötzlich zu verwandeln. Fleisch und Haare fallen von se<strong>in</strong>em Körper<br />
ab, bis nur mehr se<strong>in</strong> Skelett übrig bleibt. Wilhelm hat sich <strong>in</strong> den Tod selbst verwandelt, „mit<br />
Stundenglas und Hippe 202 “. Der Tod ist <strong>in</strong> Wilhelms Gestalt zu Lenore gekommen, um sie <strong>in</strong>s<br />
Totenreich zu entführen.<br />
Hier nun e<strong>in</strong> Auszug aus Strophe 20 203 :<br />
200 von 1756 bis 1763, auch Dritter Schlesischer Krieg genannt<br />
201 Verewigt wurden die Ereignisse <strong>der</strong> Schlacht von Prag unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> zwei Gedichten von Theodor<br />
Fontane.<br />
202 auch Heppe o<strong>der</strong> Ziegenmesser. E<strong>in</strong> Messer mit sichelförmig geschwungener Kl<strong>in</strong>ge und nach unten<br />
gebogener Spitze; wird im Gartenbau und Forst e<strong>in</strong>gesetzt<br />
203 Bürger: Lenore, S. 161-164<br />
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