12.01.2013 Aufrufe

braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

braunschweigisches jahrbuch - Digitale Bibliothek Braunschweig

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Digitale</strong> <strong>Bibliothek</strong> <strong>Braunschweig</strong><br />

Reifrockes geziert rafft. Ein Notenbuch liegt, vom Winde aufgeschlagen, auf dem<br />

Erdboden. Im Hintergrund erkennt man in verschwimmenden Farben einen weiteren<br />

Schwanensee vor einer hochragenden Felsklippe und einem Bauernhaus (Abb.4).<br />

Die schmalen Wandflächen des unregelmäßig geschnittenen Zimmers sind mit<br />

dekorativen Blumenornamenten ausgefüllt, von denen ein prächtiges Blumengebinde<br />

über der Eingangstür besonders auffällt. Die linke Schmalseite neben der Tür zeigt<br />

ein aus hohen Kelchgläsern trinkendes Paar - die Dame mit hochtoupierter Frisur<br />

hält geziert die Korbflasche zum Einschenken bereit -, während ein kleiner Diener<br />

mit Spitzenkragen ein Tablett mit Süßigkeiten offeriert (Abb. 5).<br />

Die, vornehmlich in dunklen Farbtönen gehaltene, Fete galante könnte den liebenswürdigen<br />

Parkbildern und Sdläferszenen der französischen Meister des galanten<br />

Genres nachempfunden sein, von Nieolas Laneret (1690-1743> etwa oder dem<br />

Watteau-Schüler Jean Baptiste Franeois Pater (1695-1736), auch wenn sie weder<br />

in der Ausführung, der Leuchtkraft der Farben oder der dekorativen Meisterschaft<br />

die Eleganz .ihrer Vorbilder auch nur annähernd erreicht. Es handelt sich um ein<br />

künstlerisch mittelmäßiges Werk eines handwerklich tüchtigen Malers, der im Stil<br />

seiner Zeit das erotische Flair der ihm sicher bekannten französischen Gartenbilder<br />

nachzuahmen versucht. Die etwas ungeschickt gezierten Bewegungen und die pausbäckigen<br />

Gesichter der Kavaliere mit ihren Damen gehören nicht in die Parkanlagen<br />

um Paris oder der Loircschlösscr, sondern sind in das norddeutsch-biedere Herzogtum<br />

<strong>Braunschweig</strong> transponiert, und die höfischen französischen Herren des aneien<br />

regime geben sich hier als Angehörige des niederdeutschen Landadels, die in modischer<br />

Naturschwärmerei galante französische Schäferfeste nachahmen.<br />

Wenn P. J. Meier in seinen Bau- und Kunstdenkmälern der Stadt Wolfenbüttei 2)<br />

die Wandbekleidung als "ganz mäßige, schlecht erhaltene Leinwandbilder u charakterisiert,<br />

so mag dies darauf zurückzuführen sein, daß er die Bilder um die Jahrhundertwende<br />

in einem stark nachgedunkelten, kaum erkennbaren, verwahrlosten Zustande<br />

gesehen hat, während sie sich heute - nach einer fachmännisch durchgeführten,<br />

sorgfältigen Restaurierung - als Rokokowandbilder von gutem und solidem<br />

handwerklichen Können präsentieren und als solche für den Raum Wolfenbüttel­<br />

<strong>Braunschweig</strong> sehenswert sind. Künstlerische Vergleiche mit ihren grazilen französischen<br />

Vorbildern sind hier nicht am Platz S).<br />

Tapeten oder textile Wandbekleidungen aller Art aus Leder, Seide, Damast oder<br />

Brokat sind für die Entwicklung der Wohnraumkultur seit der Renaissance wichtig,<br />

sie waren seit etwa 17°0 Mode geworden, indem man gespannte Leinwand bemalte<br />

oder die neuen Papiertapeten verwendete. Auch in der Stadt <strong>Braunschweig</strong> hatte sich<br />

diese Neuerung durchgesetzt und zur Gründung einer Tapetenfabrik durch den<br />

Hofmaler J. v. Span geführt 4).<br />

!) Me i er, Paul Jonas: ebda. Seite 198.<br />

3) Dies gilt gleichennaßen für die Deckengemälde im Venussaal des Wolfenbütteler<br />

Sdtlosses, die 1977 aus dem Herrenhaus von Groß-Sdtwülper nadt Wolfenbüttel gebradtt<br />

wurden. Ein Vergleidt mit den das gleidte Thema behandelnden Fresken der Villa Famesina<br />

in Rom wäre abwegig.<br />

4) F u h se, F.: Gemalte Tapeten in: Braunsdtweig. Magazin, 16. Band. 1910, Seite 14.<br />

http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042568

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!