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1 Regionalentwicklung der Oberlausitz Chancen und ... - IHI Zittau

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<strong>Regionalentwicklung</strong> <strong>der</strong> <strong>Oberlausitz</strong> 127<br />

ihre Politiker denken, handeln <strong>und</strong> entscheiden immer noch so, als ob es bei <strong>der</strong> Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen nur um eine Revitalisierung <strong>der</strong> verlorenen Industriearbeit mit<br />

an<strong>der</strong>en – mo<strong>der</strong>neren – Industriezweigen ginge. Statt Tagebau, Nutzfahrzeugherstellung<br />

o<strong>der</strong> Textilproduktion sollen Maschinenbau, Oberfl ächentechnik o<strong>der</strong> Automobilzulieferer<br />

den ehemals Werktätigen zu klassisch geregelter Arbeit verhelfen. Man redet hierbei<br />

ganz so, als ob es die bekannte These von Daniel Bell von 1973 über die postindustrielle<br />

Gesellschaft gar nicht gäbe, ein Strukturwandel von <strong>der</strong> industriellen Gesellschaft hin zu<br />

einer Dienstleistungsgesellschaft nicht zur Debatte steht. 14 Dabei wäre er gerade für eine<br />

periphere Grenzregion die einzig realistische Perspektive, scheint mir. Es gibt nämlich<br />

keinen Weg zurück für alle in die Schwerindustrie mit Schichtarbeit, IG Metall <strong>und</strong><br />

Überst<strong>und</strong>enzuschlag – es geht vielmehr um eine kollektive mentale Transformation hin<br />

zur Dienstleistungsmentalität <strong>und</strong> ihren Berufen bis hin zu „Neuen Selbständigen“ <strong>und</strong><br />

„Arbeitskraftunternehmern“ 15 im dritten Sektor. Viele Symptome <strong>der</strong> Beharrung in <strong>der</strong><br />

kollektiven mentalen Programmierung einer Industriegesellschaft (blue collar society) fallen<br />

hier beson<strong>der</strong>s dem Zuwan<strong>der</strong>er ins Auge, so das allgemeine Frühschicht-Leben nach dem<br />

Motto „Morgenst<strong>und</strong>’ hat Gold im M<strong>und</strong>“, das relativ schlechte Image von Dienstleistungsberufen<br />

mit <strong>der</strong> Folge regelrechter Servicewüsten in Handel <strong>und</strong> Tourismus, dem<br />

zögerlichen Werben um Dienstleistungsunternehmen <strong>und</strong> Beratungsagenturen, bis hin<br />

zum weit verbreiteten Unverständnis für die Tatsache, dass Bildungseinrichtungen zu den<br />

wichtigsten Arbeit-Gebern (!) <strong>der</strong> Region gehören. Wo es einmal um Bildung geht, wird diese<br />

entwe<strong>der</strong> nur als Begleitgeräusch zum technikzentrierten Leben wahrgenommen (mit Theater,<br />

Musik, Volkshochschule, Hochschulen als Räume für persönliche Erbauung) o<strong>der</strong><br />

umstandslos mit technisch-ingenieurlicher Bildung gleichgesetzt, so dass es folgerichtig<br />

als nutzloses Ansinnen wie aus einer an<strong>der</strong>en Welt wahrgenommen wird, wenn sich eine<br />

regionale Metropole wie Görlitz um den Titel einer „Kulturhauptstadt Europas“ bewirbt.<br />

Ich bezweifl e, dass die Dimensionen <strong>und</strong> die Bedeutung dieses Vorstoßes in <strong>der</strong> Region<br />

richtig angekommen sind. Dabei wäre es eminent wichtig gewesen zu verstehen, dass mit<br />

„Kulturorientierung“ ein wesentlicher Schritt zur Transformation des technisch dominierten<br />

Denkens geleistet worden wäre. Die richtigen Konsequenzen aus <strong>der</strong> objektiven De-<br />

Industrialisierung müssen also erst noch gezogen werden.<br />

– Internationalisierung:<br />

Es gehört mittlerweile zu den Allgemeinplätzen, dass sich durch die Prozesse <strong>der</strong> Internationalisierung<br />

<strong>und</strong> Globalisierung die sozio-ökonomischen Lebensbedingungen dramatisch<br />

verän<strong>der</strong>n. Das braucht hier nicht ausführlich referiert zu werden, obwohl sich immer noch<br />

viele Menschen schwer mit dem Gedanken abfi nden können, die Textilindustrie unwi<strong>der</strong>rufl<br />

ich nach Asien verloren zu haben. Die Auswirkungen <strong>der</strong> Globalisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit<br />

einhergehenden Arbeitsplatzverluste unterstelle ich als bekannt. 16 Internationalisierung<br />

Gegensatz zu „Kultur eins“ <strong>der</strong> Kunst, Literatur etc. – genauer als „… kollektive mentale Programmierung des Geistes, die die<br />

Mitglie<strong>der</strong> einer Gruppe o<strong>der</strong> Kategorie von Menschen von einer an<strong>der</strong>en unterscheidet…“.<br />

14 Vgl. DANIEL BELL, Die nachindustrielle Gesellschaft, Frankfurt/New York 1975.<br />

15 Vgl GÜNTER VOSS, Der Arbeitskraftunternehmer. Ein neuer Typus von Arbeitskraft <strong>und</strong> seine sozialen Folgen, in: HERMANN<br />

REICHOLD / ALBERT LÖHR / GERHARD BLICKLE (Hrsg.), Wirtschaftsbürger o<strong>der</strong> Marktopfer? Neue Beschäftigungsverhältnisse – ein<br />

Risiko für Gesellschaft, Recht <strong>und</strong> Ethik?, München <strong>und</strong> Mering 2001, S. 15–31.<br />

16 Übersichtlich zur Einführung ULRICH BECK, Was ist Globalisierung? Frankfurt/M. 1997.

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