1 Regionalentwicklung der Oberlausitz Chancen und ... - IHI Zittau
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52 Giesela Thiele<br />
auch noch eine dritte Komponente für die Entwicklung einer Alterskultur. Wir benötigen<br />
ein besseres Verständnis dafür, wie die Ziele des Alters aussehen <strong>und</strong> wie <strong>der</strong> Sinn des Alters<br />
beschaffen sein könnte. Ich werde nun in <strong>der</strong> gebotenen Kürze versuchen, diese drei konstituierenden<br />
Aspekte einer Alterskultur, nämlich die Ressourcen, die Strukturen <strong>und</strong> die Ziele<br />
eines produktiven <strong>und</strong> sinnvollen Lebens im Alter aufzeigen.<br />
Zunächst ist zu fragen, über welche Ressourcen ein alter Mensch heute verfügt. Was hat<br />
sich diesbezüglich während des letzten halben Jahrhun<strong>der</strong>ts verän<strong>der</strong>t, das uns die Möglichkeit<br />
des produktiven Lebens vorstellbar machen könnte?<br />
Unter den heute 65-Jährigen <strong>und</strong> älteren ist die große Mehrheit, nämlich etwa 80 Prozent,<br />
nicht o<strong>der</strong> kaum in <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>legenden basalen Alltagsaktivitäten eingeschränkt.<br />
Studien legen nahe, dass die heutigen Alten gesün<strong>der</strong> sind <strong>und</strong> zwar körperlich,<br />
geistig, psychisch <strong>und</strong> sozial, als die Alten in früheren Zeiten <strong>und</strong> dass die heute zumindest<br />
bis 80-Jährigen körperlich noch einen hohen Funktionsstatus besitzen. Das Jahrhun<strong>der</strong>t, in<br />
dem viele alte Menschen an chronischen Krankheiten starben, ist vorbei. In diesem Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
sind es eher demenzielle Erkrankungen, die uns das lange Leben fürchten lassen,<br />
denn sollte die gegenwärtige Lebenserwartung deutlich erhöht werden, würde es viele <strong>und</strong><br />
zumindest in absoluten Zahlen immer mehr ältere Menschen geben, <strong>der</strong>en Lebenszustand<br />
ans Menschenunwürdige grenzte. In <strong>der</strong> mittelbaren Zukunft aber werden die meisten früher<br />
sterben als Demenzen manifest werden.<br />
Allerdings ist es bei solchen Betrachtungen geboten, immer zu fragen, ob die durch<br />
bessere medizinische Versorgung etc. hinzu gewonnenen Jahre auch lebenswerte sind. Studien<br />
zufolge wird gemutmaßt, dass jenseits des 70. Geburtstags für jeweils zwei gewonnene<br />
„ges<strong>und</strong>e“ Jahre etwa ein „krankes“ hinzukommt. Danach scheinen die hinzu gewonnenen<br />
Lebensjahre zu einem beträchtlichen Teil durch Krankheit <strong>und</strong> Autonomieverlust geprägt<br />
zu sein. Ob allerdings die hinzu gewonnenen „schlechten“ Jahre auf psychologischer Ebene<br />
auch als subjektiv schlecht, also als Jahre <strong>der</strong> Verzweifl ung, erlebt werden, ist eine an<strong>der</strong>e<br />
Frage. Ich persönlich glaube <strong>und</strong> hier schließe ich mich ohne Einschränkung <strong>der</strong> Auffassung<br />
von Baltes an, dass drei prototypische Prozesse – Selektion, Kompensation <strong>und</strong> Optimierung<br />
– dem alten Menschen erlauben, trotz Verlusten aktiv, erfolgreich <strong>und</strong> produktiv zu altern. 2<br />
So wurde beispielsweise <strong>der</strong> Pianist Rubinstein einmal als Achtzigjähriger in einem<br />
Fernsehinterview gefragt, wie er den altersbedingten Schwächen in seinem Klavierspiel<br />
entgegenzuwirken versuche? Darauf antwortete er: zuerst habe er sein Repertoire reduziert,<br />
so dass er jetzt weniger Stücke spiele (Selektion), dann übe er diese ausgewählten<br />
Stücke häufi ger als früher (Optimierung) <strong>und</strong> schließlich führe er vor schnell zu spielenden<br />
Passagen ein leichtes Ritardando ein, so dass <strong>der</strong> Kontrast das Nachfolgende<br />
schneller erscheinen lasse (Kompensation).<br />
Was bedeutet nun „good life“ im Alter? Wie müssen die entsprechenden Strukturen<br />
aussehen, um Ziele zu ermöglichen, die sowohl inneren Frieden, soziale Nützlichkeit,<br />
Status, Kontinuität, spezifi sche Stärken <strong>und</strong> Schwächen als auch Möglichkeiten, die<br />
einzigartig sind für diese letzte Lebensperiode, umschließen. Eines scheint festzustehen,<br />
es sollte <strong>und</strong> kann nicht einfach nur um eine Weiterführung <strong>der</strong> Werte <strong>der</strong> mittleren<br />
2 P.B. BALTES, Die unvollendete Architektur <strong>der</strong> menschlichen Ontogenese: Implikation für die Zukunft des vierten<br />
Lebensalters, in: Psychologische R<strong>und</strong>schau 48 (1997), S. 191–210.