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1 Regionalentwicklung der Oberlausitz Chancen und ... - IHI Zittau

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Die Waldviertel Akademie als Impulszentrum 83<br />

Noch überraschter als über die Antiatombewegung war man in Tschechien über das<br />

Ansinnen <strong>der</strong> Österreicher, die „Beneš-Dekrete“ zu thematisieren. In Tschechien war die<br />

Vertreibung <strong>und</strong> Zwangsaussiedelung <strong>der</strong> deutschen Bevölkerung nach 1945 lange Zeit<br />

kein Thema o<strong>der</strong> wurde als nicht diskussionswürdig bef<strong>und</strong>en. In Österreich hingegen<br />

war sie mancherorts zum Bestandteil einer Erzählung geworden, in <strong>der</strong> dem Nachbar<br />

die Rolle des moralisch Unterlegenen zukam. Die Waldviertel Akademie widmete sich<br />

intensiv auch <strong>der</strong> Aufarbeitung dieser Themen. Der dabei bewusst gewählte Ansatz<br />

einer Vermischung von Expertengesprächen mit <strong>der</strong> interessierten Öffentlichkeit bei<br />

den historischen Symposien hatte seine Nachteile aber dort, wo die Besucher, oft aus<br />

persönlicher Betroffenheit heraus, von den anwesenden österreichischen <strong>und</strong> tschechischen<br />

Historikern Schuldzuweisungen <strong>und</strong> Eingeständnisse verlangten. Dass diese in <strong>der</strong><br />

gewünschten Form nicht geleistet werden konnte, führte zu (neuer) Verbitterung.<br />

Um aus dieser Sackgasse des gegenseitigen Vor- <strong>und</strong> Aufrechnens von historischer<br />

Schuld heraus zu kommen, erschien es zunehmend notwendig, auch an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong><br />

Begegnung zu wählen. Die Gelegenheit ergab sich 1999, als eine Gruppe junger Tschechen<br />

aus <strong>der</strong> Region um Slavonice/Zlabings unter dem Namen „Česka Kanada“ (Böhmisches<br />

Kanada, in Anlehnung an den nach 1945 geprägten tschechischen Begriff für<br />

die Region) mit dem Ziel an die Öffentlichkeit trat, die vergessene Vergangenheit ihrer<br />

Heimatgemeinden aufzuarbeiten. Die Waldviertel Akademie spielte dabei als Vermittler<br />

zu den nach Österreich <strong>und</strong> Deutschland Vertriebenen eine große Rolle, reagierten diese<br />

doch auf das Vorhaben mit einer gewissen Skepsis <strong>und</strong> Misstrauen auch deswegen, da es<br />

ihnen nahezu unglaublich erschien, dass es auch in Tschechien Leute gibt, die sich für<br />

ihr Schicksal mit einer gewissen Sympathie interessieren.<br />

Dennoch gelang es, ein gemeinsames Projekt unter dem Titel „Die Landschaft soll<br />

ihre Seele wie<strong>der</strong>bekommen“ zu initiieren, das sich in mehrere Ebenen glie<strong>der</strong>te. Die<br />

vertriebenen Bewohner aus <strong>der</strong> Pfarrgemeinde Stare Město/Altstadt wurden am Tag<br />

ihres traditionellen Kirtags in die alte Heimat geladen, dort interviewt, Fotos <strong>und</strong> Dokumente<br />

digital archiviert, ein gemeinsamer festlicher Gottesdienst gefeiert. Um noch<br />

mehr Erinnerungsberichte zu gewinnen, wurde auch eine Fahrt zum jährlichen Treffen<br />

<strong>der</strong> vertriebenen Südmährer nach Geislingen/Steige unternommen.<br />

Aufbauend auf den Erfahrungen dieses Projektes <strong>und</strong> einer Idee von Dr. Peter Coreth<br />

(Kulturbrücke Fratres) starteten mehrere österreichische <strong>und</strong> tschechische Kulturvereine<br />

unter <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>führung von Waldviertel Akademie <strong>und</strong> Česka Kanada das Projekt<br />

„Verschw<strong>und</strong>ene Lebenswelt – Vergessener Alltag. Das 20. Jahrhun<strong>der</strong>t im Spiegel einer<br />

mitteleuropäischen Region“. Exemplarisch für das Grenzland Waldviertel/Südböhmen/<br />

Südmähren begaben sie sich dabei, gemeinsam mit fünf österreichischen <strong>und</strong> sieben<br />

tschechischen Gemeinden, auf eine Spurensuche nach ihren historischen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Wurzeln. Ziel war es, die Wandlungsprozesse herauszuarbeiten, denen das mitteleuropäische<br />

Dorf im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t unterlegen war <strong>und</strong> an <strong>der</strong>en Ende die Nivellierung<br />

des lokal differenziert gewesenen Handwerks, <strong>der</strong> Kleidung, des Dialekts als sichtbarer<br />

Ausdruck des Verlustes von autonom regulierter kultureller Identität zunächst im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Einbeziehung in die Nationalkulturen, später dann in die globalisierte „Kultur<br />

<strong>der</strong>jenigen, die sich etwas leisten können“ (Peter Sloterdijk) stand. Dazu galt es, die spezifi<br />

sche Situation an <strong>der</strong> Grenze durch den Bevölkerungstausch nach 1945 in den süd-

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