1 Regionalentwicklung der Oberlausitz Chancen und ... - IHI Zittau
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82 Niklas Perzi<br />
<strong>der</strong>en machte. Dabei wurde nach jenem Begriff gefragt, <strong>der</strong> dem Respondenten spontan<br />
bei <strong>der</strong> Nennung des Nachbarlandes einfi el.<br />
Die am häufi gsten genannten Begriffe <strong>der</strong> Tschechen zu Österreich hatten durchaus<br />
positive Bezüge. Es waren dies: Ordnung (16 Prozent) vor Sauberkeit (15 Prozent), die<br />
Alpen (15 Prozent) <strong>und</strong> <strong>der</strong> höhere Lebensstandard mit 12 Prozent. An<strong>der</strong>s sah es bei<br />
den Nennungen <strong>der</strong> Österreicher aus: Hier führten die Atomkraftwerke (25 Prozent)<br />
vor <strong>der</strong> Umweltverschmutzung (7 Prozent) <strong>und</strong> dann erst diversen Sehenswürdigkeiten<br />
(6 Prozent).<br />
Auch die an<strong>der</strong>en Ergebnisse <strong>der</strong> Umfrage bestätigen die Annahmen von <strong>der</strong> Rollenverteilung<br />
zwischen den Bewohnern <strong>der</strong> Grenzregionen auf beiden Seiten. So äußerten<br />
die tschechischen Respondenten ein signifi kant höheres Interesse an Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> österreichischen Grenzregion (Österreicher: 82 Prozent, Tschechen: 99 Prozent).<br />
Ihr Wollen zum Erwerb <strong>der</strong> Sprache des Nachbarlandes drückten nur 21 Prozent <strong>der</strong><br />
Österreicher, aber 87 Prozent <strong>der</strong> Tschechen aus.<br />
Bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Umfrage im Jahr 1994 9 hatten sich die Akzente verschoben.<br />
Bei <strong>der</strong> Assoziationsfrage führten bei den Österreichern zwar noch immer Atomkraftwerke<br />
<strong>und</strong> Temelin mit 27 Prozent <strong>der</strong> Nennungen, aber schon an zweiter Stelle folgten<br />
jetzt die „Billigen Einkaufsmöglichkeiten“ – ein deutlicher Hinweis zu einer Verschiebung<br />
<strong>der</strong> grenzüberschreitenden Kontakte hin auf die Ebene des Konsums. Und obwohl<br />
reziprok noch immer eine deutlich positivere Stimmung gegenüber Österreich <strong>und</strong> den<br />
Österreichern herrschte, hatte sich das Bild doch schon hin zu einer realistischen Betrachtungsweise<br />
verän<strong>der</strong>t.<br />
Eindeutig negative Auswirkungen auch im Waldviertel hatten die Verschärfung <strong>der</strong><br />
bilateralen Konfl ikte r<strong>und</strong> um Temelin <strong>und</strong> die „Beneš-Dekrete“. Obwohl <strong>der</strong> Anti-<br />
Atom-Protest kein a priori antitschechischer war, hatte die Verbitterung darüber, dass<br />
<strong>der</strong> Nachbar an<strong>der</strong>e Sorgen hatte, als den Aufbau eines kernkraftfreien Mitteleuropas<br />
zu Protesten mit Mitteln geführt, denen gerade für die Tschechen eine fatale Symbolik<br />
innewohnte <strong>und</strong> <strong>der</strong> schon längst vergessen geglaubte historische Bil<strong>der</strong> vom Nachbarn<br />
wie<strong>der</strong> aufl eben hat lassen.<br />
Der Höhepunkt dabei waren sicher die Grenzblockaden, psychologisch durchaus<br />
verständlich, als Reaktion auf die Ablehnung des eigenen, moralisch überhöhten Ansinnens,<br />
nicht nur politisch aber kontraproduktiv, ermöglichten sie es doch <strong>der</strong> tschechischen<br />
Atomlobby, Temelin in den Rang eines nationalen Symbols emporzuheben. Um<br />
sich aber die jeweilig an<strong>der</strong>e einen selber unverständliche Position zu erklären, verfi elen<br />
beide Seiten in Erklärungsmuster <strong>und</strong> Bil<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Vergangenheit o<strong>der</strong> ließen diese<br />
zumindest zur Unterstützung des eigenen Anliegens zu. In Österreich etwa gehören<br />
Feldmessen o<strong>der</strong> Traktorenaufmärsche zur politischen Folklore, im industriell geprägten<br />
<strong>und</strong> areligiösen Tschechien evozierten sie Vorstellungen vom naiven Bauernvolk, dem<br />
man als mo<strong>der</strong>ne Nation ja eigentlich schon immer kulturell <strong>und</strong> ökonomisch überlegen<br />
war.<br />
9 THOMAS SAMHABER/FRANZ PÖTSCHER/NIKLAS PERZI, 1989–1994. Fünf Jahre Offene Grenze, in: ANDREA KOMLOSY / VÁCLAV<br />
BŮŽEK / FRANTÍŠEK SVÁTEK (Hrsg.), Kulturen an <strong>der</strong> Grenze (wie Anm. 3), S. 81–91.