1 Regionalentwicklung der Oberlausitz Chancen und ... - IHI Zittau
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128 Albert Löhr<br />
bedeutet darüber hinaus in ganz beson<strong>der</strong>em Maße eine Herausfor<strong>der</strong>ung für die offen<br />
gewordenen Grenzregionen, <strong>und</strong> hier für die <strong>Oberlausitz</strong> verschärfend deshalb, weil man<br />
in <strong>der</strong> jüngeren Geschichte durch das Zusammenwirken von Bevölkerungsverschiebungen<br />
<strong>und</strong> <strong>und</strong>urchlässigen Grenzen eine offene Kultur <strong>der</strong> Internationalität, gar Interkulturalität<br />
nicht entwickeln konnte, so wie dies in „offenen“ Dreilän<strong>der</strong>ecken Europas wie zum Beispiel<br />
im Raum Aachen o<strong>der</strong> Basel <strong>der</strong> Fall ist. Die strategischen <strong>Chancen</strong>, die sich aus <strong>der</strong><br />
im Gr<strong>und</strong>e privilegierten geographischen <strong>und</strong> historischen Situation <strong>der</strong> <strong>Oberlausitz</strong> im<br />
tri-nationalen Schnittfeld <strong>der</strong> Kulturen ergeben könnten – erinnert sei nur an die Erfolgsgeschichte<br />
des Sechsstädteb<strong>und</strong>es – werden in <strong>der</strong> Konsequenz bis heute nur unzureichend<br />
genutzt. Nur wenige beispielgebende Ausnahmen wie das von Friedrich hier geschil<strong>der</strong>te<br />
„Kleine Dreieck“ <strong>der</strong> Städtepartner <strong>Zittau</strong>–Hrádek–Bogatynia, die zweisprachig angelegten<br />
Schuleinrichtungen, Einzelprojekte im Bereich <strong>der</strong> Kultur o<strong>der</strong> die Zusammenarbeit <strong>der</strong><br />
regionalen Hochschulen treiben den Prozess <strong>der</strong> Internationalisierung substantiell voran.<br />
Ansonsten wird, wie es ein Teilnehmer formulierte, „viel gewollt <strong>und</strong> wenig erreicht“, so<br />
dass sich die eingeschliffenen Stereotype über Polen, Tschechen <strong>und</strong> Deutsche in mancher<br />
Hinsicht eher verfestigen als lockern. Ein wichtiger Gr<strong>und</strong> hierfür sind sicher auch die sehr<br />
einseitig auf wirtschaftliche Entwicklungsprozesse ausgerichteten Maßnahmen <strong>der</strong> Internationalisierung<br />
nach dem Motto: Die Gesellschaft wird <strong>der</strong> Ökonomie schon folgen. Aus<br />
dem Beitrag von Adamczuk wird hierbei sehr deutlich, dass man mittlerweile sehr viel über<br />
die Angleichung <strong>der</strong> nach Raumordnungskriterien geschichteten Wirtschaftsprozesse weiß.<br />
Erkenntnisse über die Entwicklungen <strong>der</strong> interkulturellen Verständigung <strong>und</strong> sozialen Einungsprozesse<br />
in <strong>der</strong> Europaregion Neisse bleiben demgegenüber eher punktuell <strong>und</strong> nur<br />
behauptend. So erfreulich es ist, dass man mittlerweile Eintrittskarten für Slovan Liberec in<br />
<strong>Zittau</strong> kaufen kann, so bedenklich muss es stimmen, wenn nicht einmal die Einrichtungen<br />
am <strong>Zittau</strong>er Markt mehrsprachig ausgeschil<strong>der</strong>t sind. Dem erfreulichen Durchbruch eines<br />
Projektes wie <strong>der</strong> „Via Sacra“ stehen immer noch zu viele Menschen gegenüber, die mit<br />
dem Begriff Polen lediglich „Tankstelle“ <strong>und</strong> mit dem Begriff Tschechien wenig mehr als<br />
„Biertrinken“ in Verbindung bringen. Was viele <strong>Oberlausitz</strong>er dabei völlig verkennen ist<br />
die starke Dynamik, mit <strong>der</strong> sich die Wirtschaftsräume Wrocław <strong>und</strong> Liberec entwickeln.<br />
Wrocław ist schon länger eine Boomtown, aber es deutet sich auch immer stärker an, dass<br />
Liberec als sozio-ökonomisches Zentrum vor <strong>der</strong> Haustür schon in naher Zukunft eine<br />
Gravitationskraft für weite Teile <strong>der</strong> <strong>Oberlausitz</strong> entfalten wird, die Dresden <strong>und</strong> Görlitz als<br />
Bezugspunkte in den Hintergr<strong>und</strong> rücken lässt. Zumindest die südliche <strong>Oberlausitz</strong> muss<br />
sich darauf einstellen, die alten böhmischen Wurzeln wie<strong>der</strong> zu beleben <strong>und</strong> zu entwickeln<br />
<strong>und</strong> zwar klugerweise vielleicht bevor man feststellt, dass Liberec in <strong>der</strong> „<strong>Regionalentwicklung</strong>“<br />
längst vorbeigezogen ist. Lange dürfte das nicht mehr dauern.<br />
– Parallel-Gesellschaften:<br />
Eine viel zu wenig beachtete Tendenz liegt für mich schließlich in <strong>der</strong> Aufl ösung „<strong>der</strong>“<br />
Gesellschaft hin zu verschiedensten Parallel-Gesellschaften. Möglicherweise trägt eine diffuse<br />
Erinnerung an die klaren Vorgaben <strong>der</strong> Gesellschaftstheorie zu Zeiten des Marxismus dazu<br />
bei zu glauben, dass es sich bei unserer sozialen Umgebung nach wie vor um eine klar<br />
geglie<strong>der</strong>te Gesellschaft handelt, nur eben um eine an<strong>der</strong>e. Ganz sicher werden bestimmte<br />
Missverständnisse dabei mit dadurch verursacht, dass Gr<strong>und</strong>kenntnisse über Sozialwissen-