28/2015 „Umweltprobleme der Landwirtschaft‘‘
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30 Jahre SRU-Son<strong>der</strong>gutachten <strong>„Umweltprobleme</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft“ - Eine Bilanz<br />
Landwirtschaft vor außerordentliche Herausfor<strong>der</strong>ungen und bestätigen viele <strong>der</strong> im SRU-<br />
Gutachten von 1985 enthaltene Feststellungen und Empfehlungen.<br />
Da die Rio-Konventionen und ihre Vorläufer ein gesteigertes Wissen über die ökologische<br />
Situation <strong>der</strong> Erde verlangten, rief <strong>der</strong> Generalsekretär <strong>der</strong> Vereinten Nationen anlässlich<br />
<strong>der</strong> Jahrtausendwende 2000 die wissenschaftliche Ökologie zur Erstellung des<br />
„Millennium Ecosystem Assessment“ auf. Unter <strong>der</strong> Aufsicht des UNEP (United Nations<br />
Environmental Programme) erarbeiteten über 2000 Wissenschaftler aus 95 Län<strong>der</strong>n von<br />
2001 bis 2005 dieses Assessment (normative Bewertung), das 2005 vorgelegt wurde (MEA<br />
2005). Sein Ausgangspunkt sind die <strong>der</strong> Natur zugeschriebenen Fähigkeiten o<strong>der</strong><br />
Potenziale zur Erbringung von Leistungen für das Wohl <strong>der</strong> Menschen, welche wie<strong>der</strong>um<br />
auf dem „Funktionieren“ <strong>der</strong> Natur und ihrer (Öko-)Systeme beruhen (Jax, K., 2010).<br />
Daraus entwickelte das MEA das Konzept „Ecosystem Services“<br />
(Ökosystem[dienst]leistungen, vgl. Grunewald, K., & Bastian, O., 2013), das damit zu einem<br />
neuen Umwelt- und Naturschutzgut wurde. Diese Leistungen werden im MEA in<br />
Beziehung zum menschlichen Wohlbefinden (human well-being) gesetzt, das in die<br />
Kategorien Sicherheit, materielle Grundlagen guten Lebens, Gesundheit und soziale<br />
Beziehungen sowie, übergeordnet, Wahl- und Handlungsfreiheit geglie<strong>der</strong>t ist. Auch<br />
damit sind die Landwirtschaft und ihre Produktionsleistungen umfassend<br />
herausgefor<strong>der</strong>t. Die Idee <strong>der</strong> Leistungen von Natur, Umwelt o<strong>der</strong> Ökosystemen war im<br />
Grunde nicht neu, denn sie ist z. B. schon im deutschen Bundesnaturschutzgesetz von<br />
1976 (siehe oben, Abschnitt 4.3.2) enthalten, das als eines <strong>der</strong> Naturschutzziele die<br />
Erhaltung <strong>der</strong> Leistungs- bzw. Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Natur vorschreibt, und sie hat auch<br />
in <strong>der</strong> Wissenschaft einige Vorläufer (Mannsfeld, K., & Grunewald, K., 2013).<br />
Die Schutzgüter <strong>der</strong> Biodiversität und <strong>der</strong> Ökosystemleistungen schienen zunächst wenig<br />
vereinbar o<strong>der</strong> sogar zu konkurrieren (Jessel, B., 2011). Um beide zu verknüpfen und vor<br />
allem ihren wirtschaftlichen Wert beson<strong>der</strong>s hervorzuheben, veranlasste die Europäische<br />
Union auf deutsche Anregung eine internationale Studie über „The Economics of<br />
Ecosystems and Biodiversity (TEEB)“, <strong>der</strong>en Ergebnisse 2010 veröffentlicht wurden (TEEB,<br />
2010). Sie widmet sich aber fast ausschließlich den natürlichen Ökosystemen und beziffert<br />
die Verluste und Schäden, die <strong>der</strong>en Degradierung o<strong>der</strong> Zerstörung für die<br />
Weltwirtschaft und das davon abhängige menschliche Wohlbefinden bedeuten.<br />
Die Schwäche des Konzepts <strong>der</strong> Ökosystemleistungen liegt darin, dass sie nur teilweise<br />
quantifizier- und vergleichbar und auch ihre Interaktionen schwer erfassbar sind. Daher<br />
versteht man auch zu wenig, welchen Einfluss die landwirtschaftliche Nutzung auf sie<br />
ausübt o<strong>der</strong> wie weit sie davon mit abhängt. Der Erfolg <strong>der</strong> Landwirtschaft, zugunsten<br />
<strong>der</strong> Ernährungssicherung und damit des menschlichen Wohlbefindens die<br />
Versorgungsleistungen <strong>der</strong> Agrarökosysteme zu verstärken, bedingt die Schwächung o<strong>der</strong><br />
Verdrängung an<strong>der</strong>er Leistungen – die wie<strong>der</strong>um durch technische Mittel ersetzt werden,<br />
die ihrerseits Än<strong>der</strong>ungen im Spektrum aller Leistungen bedingen (Haber, W., 2014, S.<br />
133 f).<br />
d) Umsetzung in deutsche Rechtsvorschriften – Novellierungen des<br />
Naturschutzrechts<br />
Die FFH-Richtlinie <strong>der</strong> EU und die internationale Biodiversitätskonvention veranlassten in<br />
Deutschland eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes von 1976, die vor allem<br />
wegen des Wi<strong>der</strong>standes <strong>der</strong> Landwirtschaft verzögert wurde. Es kam zunächst (1998) zu<br />
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