Download als PDF - Raphael Draschtak
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IX. Schlußbetrachtung<br />
Der militärische Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, der von seiner Entwicklung über<br />
den Ausbruch der Feindseligkeiten bis hin zur militärischen Lage zum Jahresende<br />
1994 Gegenstand dieser Betrachtung sein sollte, verdient es nicht nur aufgrund der<br />
außergewöhnlichen geographischen und historischen Nähe zum hiesigen Betrachter,<br />
nach angemessenem zeitlichen Abstand einer genaueren Untersuchung unterzogen<br />
zu werden. Wurde doch der Konflikt in all seiner Vielschichtigkeit und Komplexität im<br />
Zeitraum seines Verlaufes aus Sicht des Autors von zahlreichen Beobachtern<br />
vielfach mißinterpretiert und - vieler relevanter und rationaler Motive entkleidet - <strong>als</strong><br />
weitgehend historisch bedingter Zusammenstoß jahrhundertealter<br />
unaufgearbeiteteter gleichsam atavistischer anachronistischer Ressentiments und<br />
Nationalismen dargestellt. Nach eingehender Befassung mit der Materie kann sich<br />
der Autor dieser simplifizierten Interpretation nicht anschließen.<br />
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten Aspekte und Thesen herausgearbeitet<br />
werden, die das weitgehend vorherrschende Bild vom irrationalen und weitgehend<br />
unkontrollierbaren Krieg gleichsam natürlich verfeindeter Völkerschaften weitgehend<br />
<strong>als</strong> Fehleinschätzung demaskieren sollten. Vielmehr war es im Rahmen der<br />
Forschungs- und Interpretationstätigkeit für diese Arbeit fast ein leichtes, rationale<br />
und nachvollziehbare Handlungsmuster der Hauptakteure vor dem und im Krieg zu<br />
erkennen und zu skizzieren, die den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien sowohl in<br />
seinem Inneren <strong>als</strong> auch seitens der äußeren einflußnehmenden Kräfte, d.h. primär<br />
EG, UN und die unter Führung der USA stehende NATO, in die letzlich offen<br />
ersichtlichen Bahnen lenkten.<br />
Nachdem sich Osteuropa 1989-91 friedlich vom Kommunismus befreit hatte, stand<br />
auch die jugoslawische Führung vor dem politischen Dilemma, einen Systemwandel<br />
<strong>als</strong> unabwendbar erkennen zu müssen. Hatte sich doch auch der jahrzehntelang <strong>als</strong><br />
den osteuropäischen Nachbarsystemen überlegen propagierte „eigene Weg“ Titos im<br />
sozialistischen Jugoslawien angesichts einer zunehmend prekären wirtschaftlichen<br />
Lage Ende der 80er Jahre vor allem für die meisten Bürger des Staates <strong>als</strong> bankrott<br />
dargestellt. Die Führungen in den jeweiligen Teilrepubliken hatten dies wohl erkannt<br />
und setzten darauf, das sozialistische durch ein anderes Credo zu substituieren. Vor<br />
allem angesichts der wirtschaftlichen Zwangslage und der eklatanten ökonomischen<br />
Disparität zwischen dem reicheren Norden und dem weitgehend mittellosen Süden<br />
des Staates bot sich für Eliten in den Teilrepubliken zweifellos die Gelegenheit, mit<br />
einem entfachten Nationalismus die Völkerschaften gegeneinander aufzubringen,<br />
sich damit gleichzeitig an der Spitze der nationalistischen Bewegungen zu etablieren<br />
und damit die mit dem sozialistischen System schwindenden Privilegien und<br />
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