Download als PDF - Raphael Draschtak
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konnten, unterstützt vom Mutterland, nach wie vor auf ihre Überlegenheit bei<br />
schweren Waffen bauen, die Moslems, mittlerweile direkt unterstützt von islamischen<br />
Staaten und indirekt von den USA, waren an Mannschaftsstärke überlegen), keine<br />
der Seiten war stark genug, die andere(n) entscheidend zu schlagen. Nach den<br />
Verhandlungen vom Herbst des Jahres und der allgemeinen Erschöpfung der<br />
Kriegsparteien bot sich angesichts des militärischen Patts ein Waffenstillstand an.<br />
Dieser wurde von Jimmy Carter Ende Dezember 1994 vermittelt und sollte in<br />
längerfristige und endgültige Friedensverhandlungen münden, wobei die Serben<br />
allein aufgrund des gehaltenen Territoriums in der tendenziell stärkeren Position sein<br />
würden.<br />
Die Erwartungshaltung an den Waffenstillstand war nicht nur seitens von<br />
Beobachtern sondern auch seitens der Kriegsparteien selbst gering. Die Motive der<br />
Fraktionen, einem Waffenstillstand zuzustimmen, waren naheliegend. Neben der<br />
generellen strategischen Balance der Kräfte in Bosnien-Herzegowina war auch der<br />
Wintereinbruch eine Voraussetzung für den Waffenstillstand, der, abgesehen von<br />
den Verletzungen im üblichen Ausmaß, anfangs eingehalten wurde. Nach wie vor<br />
konnte keine Seite damit rechnen, in absehbarer Zeit einen entscheidenden Schlag<br />
führen zu können. Obwohl eine gemeinsame Operationsführung kroatischer und<br />
moslemischer Verbände gegen die serbische Armee nicht realisiert werden konnte,<br />
zeichnete sich immer deutlicher ab, daß die serbischen Kräfte längerfristig<br />
gegenüber der bosnischen Armee ihre noch verbliebenen Vorteile einbüßen würden.<br />
Die sukzessive Aufrüstung der bosnischen Armee könnte sich noch innerhalb des<br />
Jahres 1995 gravierend auf dem Gefechtsfeld bemerkbar machen. Auf dem<br />
personellen Sektor war zu erwarten, daß die Serben in Bosnien selbst keine<br />
entscheidenden Reserven mehr mobilisieren konnten. „Insoferne könnte die oft<br />
ziterte strategische Wende in Bosnien im Jahr 1995 tatsächlich eintreten.“ 481 Somit<br />
hatten sich die strategischen Kräfteverhältnisse vom Zeitpunkt der Ausbruch des<br />
jugoslawischen Krieges 1991 bis zum Ende des Jahres 1994 grundlegend gewandelt<br />
und die militärische Ausgangslage nach einem eventuellen Auslaufen oder<br />
Zusammenbruch des von Carter vermittelten Waffenstillstandes ins Gegenteil zu<br />
jener 1991 verkehrt. Diese Entwicklung vor dem Hintergrund der (zumeist rationalen)<br />
Entscheidungs- und Handlungsmuster der Hauptakteure darzustellen, sollte Ziel<br />
dieser Arbeit sein.<br />
481 ÖMZ 2/1995. S. 186-187<br />
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