Download als PDF - Raphael Draschtak
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favorisierten hingegen weiterhin ein friedliches Zusammenleben der Völker in ihrer<br />
Republik. Für diese Haltung wurden sie nun zwischen den Nationalismen der beiden<br />
anderen Völker zerrieben.” 199 Daß Nationalismus vorgeschützt wurde, daß aber die<br />
Motive und strategischen Zielsetzungen der Führungen nicht primär von<br />
nationalistischen sondern in den meisten Fällen von klar definierten rationalen Zielen<br />
prädeterminiert waren, (gleichzeitig gab es aber in der jugoslawischen Bundesarmee<br />
Widerstand gegen diese Pläne) erscheint schlüssig, wenn man sich einige Fakten<br />
vor Augen führt:<br />
„Die Jugoslawische Volksarmee (JVA/JNA, später JS, Anm.), und vor allem deren<br />
Offizierskaste - 70.000 Berufsoffiziere, von denen 70 Prozent Serben oder<br />
Montenegriner waren 200 - kann ohne Bosnien nicht überleben. Nicht nur sind über<br />
100.000 Soldaten in Bosnien stationiert... (...) 65 Prozent der noch bestehenden<br />
Militärindustrie Jugoslawiens liegen in Bosnien-Herzegowina (bei nur rund 20% der<br />
Fläche des ehemaligen Jugoslawien) 201 , und von diesen Fabriken befinden sich<br />
wiederum 60 Prozent auf moslemischen und kroatischen Gebieten. Die JVA stand<br />
vor drei Möglichkeiten. Sie hätte die Unabhängigkeit Bosniens anerkennen und ihre<br />
Dienste dem neuen Staat zur Verfügung stellen können. Das wäre einer Abkehr von<br />
Serbien gleichgekommen. Sie hätte die Unabhängigkeit Bosniens anerkennen und<br />
einem ausgehandelten Rückzug in ein neues Mini-Jugoslawien, nach Serbien oder<br />
Montenegro, zustimmen können, so wie sie es im Falle von Mazedonien getan hat.<br />
Sie wählte schließlich die dritte Variante: Sie lehnte die Anerkennung ab, blieb und<br />
kämpfte. Daß die Armee den radikalen Weg beschritt, war nicht von vornherein<br />
ausgemachte Sache. Als sich die Unabhängigkeit des neuen Staates abzeichnete,<br />
deutete der Kommandant des 2. Militärdistrikts, General Milutin Kukanjac an, daß er<br />
für einen Rückzug zu optieren gedenke. Dieser würde freilich einige Jahre dauern,<br />
und Garantien für die bosnischen Serben seien Vorbedingung. Führende<br />
moslemische und kroatische Politiker verkündeten aber, daß nach der Ausrufung der<br />
Unabhängigkeit die Armee <strong>als</strong> Besatzungsmacht angesehen würde und <strong>als</strong> solche<br />
Bosnien stante pede zu verlassen hätte. Nicht zuletzt diese Haltung trieb Leute wie<br />
Kukanjac in die Armee der schamlosen serbischen Nationalisten vom Typus des<br />
amtierenden jugoslawischen Verteidigungsministers General Blagoje Adzic und des<br />
Gener<strong>als</strong>tabschefs Zivota Panic. (...) Und die Armee ist höchst uneinheitlich. In<br />
Kupres etwa sind die Armeeoperationen nicht von Truppen unternommen worden,<br />
die in Bosnien stationiert sind. Die Knin-Division, die vom kompromißlosen<br />
199 Erdelitsch, Orter, Krieg auf dem Balkan. S. 60<br />
200 Glenny, The fall of Yugoslavia. S. 134<br />
201 Anis H. Bajrektarevic, The ethno-structure. One view of the former Yugoslavia - Territory,<br />
population density, ethno-background, religion, origins. 2nd edition (Vienna 1997) o.S.<br />
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