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International hatten sich die bosnischen Serben wie die Führung Rest-Jugoslawiens<br />

in Belgrad durch ihr offensives militärisches Vorgehen und skizzierte Gewaltexzesse<br />

einiger Einheiten bald noch stärker isoliert, wenngleich vor allem die Europäer was<br />

die Beurteilung der Lage betraf, aus plausiblen Gründen zurückhaltend agierten. Als<br />

extremste Ausprägungsform des Selbstbestimmungsrecht war nämlich das in<br />

Bosnien doppelt strapazierte Sezessionsrecht unter Völkerrechtsexperten und<br />

Politikern anläßlich des Bosnienkrieges wieder heftig umstritten. Vor allem in Hinblick<br />

auf eigene Minoritätenprobleme - Basken, Nordirland, Südtirol etc. - erkannten die<br />

europäischen Staaten die stabilitätsgefährdende Wirkung einer „Balkanisierung” und<br />

hatten dementsprechend vorsichtig vorzugehen. 270<br />

Gleichzeitig war der Westen nicht zuletzt wegen der Erfahrungen der Deutschen<br />

Wehrmacht auf dem Balkan im Zweiten Weltkrieg, der Unübersichtlichkeit der<br />

Situation und der Unwegsamkeit des Geländes sowie innenpolitischer Überlegungen<br />

(Präsidentenwahlkampf in den USA) nicht bereit, militärisch in den Balkankrieg<br />

einzugreifen. Eine Militäroperation hätte enormen Aufwand an Truppen und Material<br />

verursacht und wäre aufgrund des zu erwartenden serbischen Widerstandes<br />

vermutlich verlustreich gewesen. „Nach Angaben des US-Gener<strong>als</strong> McCaffrey, eines<br />

Mitarbeiters von Gener<strong>als</strong>tabschef Colin Powell, vor dem Streitkräfteausschuß des<br />

US-Senats, ist für eine ‘Operation Balkansturm’ ein Heer von 400.000 Soldaten<br />

erforderlich (1992, Anm.). Die Einsatzdauer ist auf ein Jahr zu veranschlagen. Nach<br />

Schätzungen des kanadischen Gener<strong>als</strong> Lewis MacKenzie, dem vormaligen Chef<br />

der UN-Friedenstruppen in Sarajevo, würde eine effektive Militäraktion sogar bis zu<br />

einer Million Soldaten erfordern.” 271<br />

Dennoch wurde auch von anderer Seite beträchlicher militärischer Aufwand<br />

veranschlagt: „Um zum Beispiel Sarajevo zu befrieden, wären nach Ansicht des<br />

früheren IISS-Direktors Francois Heisbourg mindestens zwei Kampfdivisionen<br />

erforderlich: ‘Das Unternehmen wäre mit einem hohen Risiko belastet. Mit<br />

beträchtlichen Verlusten wäre zu rechnen.” 272 Gleichzeitig muß betont werden, daß<br />

das Argument der vermutlich hohen Verluste von den Interventionsgegnern häufig<br />

bewußt übertrieben und dadurch politisch instrumentalisiert wurde.<br />

Im Westen herrschte somit bald Konsens, zumindest vorerst kein militärisches<br />

Eingreifen in Jugoslawien zu riskieren. Vielmehr setzte man auf diplomatischen<br />

Druck und wirtschaftliche Sanktionen. Am 30. Mai verhängte die UN wegen der<br />

270 Holderbach, Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien. S. 273<br />

271 Lutz, Interventionen - Krieg <strong>als</strong> Ultima ratio? S. 98<br />

272 Ebenda. S. 103<br />

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