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traumatisiert waren die Krajina-Serben, wenn sie mit einem unabhängigen Kroatien<br />

konfrontiert wurden. Die Spitzenfigur der bosnischen Unabhängigkeitsbewegung, der<br />

Moslem Alija Izetbegovic, trat nämlich strikt für einen bosnischen Einheitsstaat ein; in<br />

der Tito-Zeit war er andererseits mit einer „Islamischen Deklaration“ hervorgetreten,<br />

die ihm eine mehrjährige Haftstrafe eingebracht hatte. In dieser hieß es: „Eine<br />

islamische Gesellschaft ohne islamische Staatsmacht ist unvollkommen und<br />

hilflos.“ 13 Zugleich hatte er sich zur Toleranz bekannt - dieser Begriff aber hat in der<br />

islamischen Tradition eine eigene Bedeutung - von einer vollen Gleichberechtigung<br />

der Religionen und von einer Bekenntnisneutralität des Staates konnte - jedenfalls<br />

aus Sicht der radikalen serbischen Führung - nicht die Rede sein. 14<br />

Bosnien-Herzegowina, früher Bestandteil eines Vielvölkerstaates, konnte sich selbst<br />

aufgrund der Ethnostruktur von vornherein nicht <strong>als</strong> Nation<strong>als</strong>taat definieren. Zwei<br />

der drei konstitutiven Völker von Bosnien - Kroaten und Serben - hatten 1992 bereits<br />

ihren eigenen Staat, was bei der dritten (und zahlenmäßig stärksten) konstitutiven<br />

Bevölkerungsgruppe, den Moslems, nicht der Fall war. 15 Diese Konfliktlinien sollten<br />

in der Folge aufeinandertreffen. Dazu der ehemalige US-Botschafter in Belgrad,<br />

Warren Zimmermann: „Der Zusammenbruch von Jugoslawien war ein klassisches<br />

Beispiel für den Nationalismus von oben nach unten - ein manipulierter<br />

Nationalismus in einem Gebiet (...) wo ein Viertel der Bevölkerung in Mischehen<br />

lebte.” 16 Die jeweiligen politischen Führer begannen, die Ängste „ihrer“ Völker,<br />

Minderheiten in einer neuen, „fremden“ Republik zu werden bzw. die<br />

Hegemonisierung oder die Furcht vor Aufteilung zwischen den Nachbarrepubliken,<br />

politisch zu instrumentalisieren.<br />

Die serbische Strategie war folglich nach dem Scheitern der „jugoslawischen Option“<br />

(was sich mit der „Entlassung“ Sloweniens aus dem Staatsverband ab Juli<br />

abzeichnete) auf die Erhaltung großer, serbisch besiedelter Teile Kroatiens und vor<br />

allem Bosnien-Herzegowinas innerhalb eines (notfalls militärisch) neu zu<br />

schaffenden Jugoslawiens, das in der Endkonzeption faktisch einem Groß-Serbien<br />

gleichkommen sollte, gerichtet. „Alle Bemühungen, einen souveränen Staat aus<br />

Bosnien-Herzegowina zu machen, betrachteten die Serben schlicht <strong>als</strong><br />

13 Schneider, Friede für Bosnien-Herzegowina? S.12-13; Zitiert nach: Süddeutsche Zeitung,<br />

31.10.1995, S. 6<br />

14 Ebenda. S.12-13<br />

15 Ferdo Colak, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker zwischen Recht und Machtpolitik.<br />

Deutsche Ausgabe (Offenburg 1996) 116<br />

16 Peter Maass, Die Sache mit dem Krieg - Bosnien von 1992 bis Dayton. Deutsche Erstausgabe<br />

(München 1997) 257<br />

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