Wohnst du noch oder lebst du schon? - Arbeitswelt der Geographie
Wohnst du noch oder lebst du schon? - Arbeitswelt der Geographie
Wohnst du noch oder lebst du schon? - Arbeitswelt der Geographie
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1. Einleitung 1<br />
1. Einleitung<br />
„Die einzige normale Bevölkerungsgruppe in Berlin sind die Türken", sagte <strong>der</strong> Berliner<br />
Innensenator Wilhelm Kewenig (CDU) 1986 in einer internen Diskussion. […] Die<br />
türkische Bevölkerungsgruppe hatte Kin<strong>der</strong>, maß dem Familienleben hohen Wert<br />
bei, ging normalen Arbeitsverhältnissen nach, arbeitete viel und lange, sparte und<br />
zahlte Steuern.“ (HUNGER/THRÄNHARDT 2001: 109)<br />
Vor rund 40 Jahren kamen Türken nach Deutschland. Die so genannten Gastarbeiter kamen<br />
damals auf Basis eines bilateralen Abkommens zwischen <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland und<br />
<strong>der</strong> Türkei. In deutschen Firmen musste immer <strong>noch</strong> <strong>der</strong> Arbeitskräftebedarf des Wirtschaftswun<strong>der</strong>s<br />
gedeckt werden, aber auch Türken waren aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen<br />
in <strong>der</strong> Türkei an einem Arbeitsplatz in Deutschland interessiert. Wie <strong>der</strong> Name Gastarbeiter<br />
sagt, war <strong>der</strong> Aufenthalt <strong>der</strong> Türken seitens <strong>der</strong> Politik und Gesellschaft nur temporär – als Gastaufenthalt<br />
– geplant. Mittlerweile lebt aber bereits die zweite und dritte Generation türkischer Zuwan<strong>der</strong>er<br />
in Deutschland. Während die erste Generation, auch nachdem sie fast ein ganzes Arbeitsleben<br />
in Deutschland verbrachte, <strong>noch</strong> intensive Beziehungen in die Türkei pflegt und sich<br />
z.T. mehrere Monate im Jahr auch dort aufhält, sehen die jüngeren Generationen ihren Lebensmittelpunkt<br />
in Deutschland. Seitdem ihre Eltern und Großeltern nach Deutschland kamen, hat<br />
sich hier allerdings vieles verän<strong>der</strong>t.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> wirtschaftliche Strukturwandel in Deutschland verän<strong>der</strong>te die Situation türkischer<br />
Zuwan<strong>der</strong>er stark, die speziell seit den 1990er Jahren zunehmend von Erwerbslosigkeit<br />
betroffen sind. Mittlerweile unterscheidet sich die Situation türkischer Zuwan<strong>der</strong>er stark von <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Mehrheitsgesellschaft einerseits und von <strong>der</strong> weiterer Zuwan<strong>der</strong>ergruppen an<strong>der</strong>erseits, sodass<br />
Türken die „größte und zugleich die am meisten benachteiligte Gruppe“ (SIEBEL 2005: 387)<br />
sind. Sie besuchen häufiger die Hauptschule, studieren seltener und besetzen seltener höher<br />
qualifizierte Positionen im Beruf. Sie leben vermehrt in einfachen Wohnlagen und in Wohnungen<br />
schlechteren Standards. (GESTRING et al. 2006: 60 f.)<br />
Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Neben fehlenden indivi<strong>du</strong>ellen Ressourcen wie Sprache <strong>o<strong>der</strong></strong><br />
auch Bil<strong>du</strong>ng bei den Türken liegen die Gründe auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. So<br />
liefert u.a. die Untersuchung von BULUT (2006) Ergebnisse zu Diskriminierungserfahrungen von<br />
türkischstämmigen Bewohnern in zahlreichen Lebensbereichen, von <strong>der</strong> Nachbarschaft über<br />
Behörden bis hin zum Arbeitsplatz und zur Wohnungssuche. (vgl. ebd.: 92 ff.)<br />
Die Verbesserung <strong>der</strong> Lebensumstände von Zuwan<strong>der</strong>ern und <strong>der</strong> Chancengleichheit von Minorität<br />
und Mehrheitsgesellschaft – die migrationsspezfische Integration – ist daher ein wichtiges<br />
politisches und gesellschaftliches Thema.<br />
Für die analytische Beschreibung von Integration existieren zahlreiche Konzepte. Integrationsbedarfe<br />
werden auf systemischer bzw. struktureller Ebene (z.B. Arbeits- und Wohnungsmarkt), auf<br />
politisch-rechtlicher Ebene (z.B. Partizipation) und identifikatorischer Ebene (z.B. Identifikation mit