248 249VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGin der <strong>Unfallchirurgie</strong> 2006 eingerichtet, es folgte vor kurzem ein weitererTransregio in Gießen 2010.der Forschungsnetzwerke der Orthopädie und <strong>Unfallchirurgie</strong> kann dazuauch einen Beitrag zur Stärkung der Fächer leisten.Andere Forschungsförderungsinstitutionen wie das BMBF und die EU sindüberwiegend auf Verbundforschung ausgerichtet. Auch hier haben unfallchirurgischeForschungseinrichtungen mit Erfolg mehrfach Förderungenerhalten. Eine eigene Förderlinie konnte bisher bei der EU aber nicht initiiertwerden. Oftm<strong>als</strong> finden sich die Fragestellungen der <strong>Unfallchirurgie</strong>in Ausschreibungen der Regenerativen Medizin, der Biomaterialforschung,der Computersimulation oder der Navigation wieder. All diese Verbundförderungenhaben das forschungspolitische Ziel, professionelle Forschungsstrukturenzu stärken. Letztlich soll dies die Möglichkeit schaffen, deminternationalen Wettbewerb besser gerecht werden zu können. In dermuskuloskeletalen Forschung ist Deutschland derzeit sicher in einerSpitzenposition.Die Vergabe der Förderungen ist, unabhängig von den Förderinstitutionen,heute hoch kompetitiv und wird <strong>als</strong> Bewertungsmaßstab in den Universitätenbenutzt (siehe Leistungsorientierte Mittelvergabe). Gemeinsammit den Publikationswertungen und zum Teil gewichtet nach Förderinstitutionenwerden die Mitteleinnahmen <strong>als</strong> wesentliches Bewertungskriteriumauch für die Leistungsfähigkeit von Themenfeldern herangezogen. Dies giltauch für die unfallchirurgische Forschung, die, gemeinsam mit der orthopädischenForschung, in einem Wettkampf mit den anderen medizinischenDisziplinen steht. Diesem Wettkampf der medizinischen Disziplinen kannman mit ausgebauten und durch Vorarbeiten ausgewiesenen Forschungsinstitutionenleichter gerecht werden. Auf dem Weg zu einer solchen Professionalisierungund auch bei der Vertretung unfallchirurgischer Interessen <strong>als</strong>universitäres Fach können lokale Zentren für muskuloskeletale Forschung,lokale Forschungsverbünde, aber auch nationale Zusammenschlüsse helfen.Beispiele dafür sind neben dem Netzwerk Experimentelle <strong>Unfallchirurgie</strong>(NEU) auch die gerade durch das BMBF geförderten Forschungsverbünde zueinzelnen Aspekten muskuloskeletaler Forschung. Der ZusammenschlussVom festen Forschungsbudgetzur leistungsorientierten Bewertung von ForschungHeute mag es nach paradiesischen Zuständen klingen: Über Jahrzehntewurden die Forschungsgelder von Universitätskliniken <strong>als</strong> ein Prozentanteilam Budget für die Krankenversorgung bestimmt. Große Kliniken hattendamit erhebliche Forschungsmittel zur Verfügung. Wie eine Analyse desWissenschaftsrates ergab, resultierte dies jedoch nicht in einer entsprechendenForschungsaktivität, weil große Teile der Forschungsgelder letztlich fürdie Krankenversorgung ausgegeben wurden. Diese Zeiten sind lange vorbeiund sowohl auf internationaler, nationaler <strong>als</strong> auch auf regionaler Ebenewerden Leistungen auch in der Wissenschaft jederzeit evaluiert. Fakultätengeben diesen oftm<strong>als</strong> von außen kommenden Budgetdruck über dieMechanismen der Evaluation weiter und nutzen die Methoden der LeistungsorientiertenMittelvergabe. Die Höhe dieses Budgets variiert starkzwischen den Bundesländern und kann 5-6 % der eingeworbenen Drittmittelin Berlin oder bis zu 20% in Baden-Württemberg umfassen. Da die eingeworbenenDrittmittel zum Großteil gewichtet werden (z.B. DFG 3-fach, BMBF2-fach und Industrie 1-fach) und mit den Publikationsleistungen zusammendie Leistungskenndaten ergeben, sind letztlich keine allgemeinen Aussagenzum Mechanismus möglich. Grundsätzlich gilt aber, dass durch guteForschungsleistungen an vielen Universitätskliniken das Forschungsbudgeterhöht werden kann. Eine wesentliche Neuerung wird noch sein, dassauch, mit der Einführung der vollständigen Trennungsrechnung, die RessourcenRaum und sonstige Nebenkosten in die LOM-Vergabe aufgenommenwerden. In die Leistungsdaten gehen auch die Publikationsleistungen inForm von Impaktfaktoren ein. Man kann darüber diskutieren, ob die Impaktfaktorsummeder Publikationen für operative Fächer, wie die <strong>Unfallchirurgie</strong>,ein gerechter Maßstab für die Forschungsleistung ist. Da es bisher aber keinMaß für den Impakt, den eine Forschungsarbeit auf die Patientenversorgunghat, gibt, werden wir mit dem „Impakt auf das Forschungsfeld“ (z.B. der
250 251VON DER EXPERIMENTELLEN CHIRURGIE ZUR MUSKULOSKELETALEN FORSCHUNGZitierhäufigkeit) <strong>als</strong> einzig bisher verfügbarem Bewertungskriterium fürPublikationen zurückgreifen müssen.Insgesamt lässt sich feststellen, dass die leistungsorientierte Forschungsmittelvergabeeinen Leistungsdruck ausgelöst hat, dem sich die Fächer stellenmüssen und meist mit einer Professionalisierung der Forschung versuchenzu beantworten. Dies ist auch in der <strong>Unfallchirurgie</strong> der Fall. Es sprichtvieles dafür, dass die Einrichtung von erfreulich vielen Forschungsprofessurengerade in den letzten 5 Jahren auch auf diesen Leistungsdruck und dieEinsicht zurückzuführen ist, dass eine „Feierabendforschung“ in der heutigenZeit nicht in der Lage ist, die gewünschten Leistungen zu erbringen.Zusammenfassung und AusblickDie experimentelle unfallchirurgische Forschung hat vor allem in den letzten30 Jahren eine sehr gute und dynamische Entwicklung genommen. Es kamzu einer Professionalisierung der Forschung, die an einigen Universitätsklinikendie Entwicklung von international hervorragend ausgewiesenen Forschungsinstitutenermöglicht hat. Darüber hinaus gibt es einige erfolgversprechendeneue Professuren, die die Chance auf eine weitere Verbesserungder Forschungslandschaft in sich bergen.Allerdings ist auch festzustellen, dass im Vergleich zu anderen Fächern undmedizinischen Versorgungsfragen die <strong>Unfallchirurgie</strong> – im Verhältnis zuihrer Bedeutung für das gesamte Gesundheitssystem – deutlich unterrepräsentiertist! Dies wird sich aber nicht allein durch Appelle ändern lassen,sondern erfordert eine weitere Professionalisierung der Forschung aufbreiter Basis. Neben der internationalen Konkurrenzfähigkeit der einzelnenForschungsprojekte (und damit der Qualität der Forschung) ist auchweiterhin eine entsprechende Unterstützung durch die Fachgesellschaftzwingend nötig. Die unfallchirurgische Forschung braucht enge Nähe zurklinischen Anwendung. Dabei wird es die wesentliche Aufgabe sein, demUnfallchirurgen, der sich temporär oder langfristig in der Forschung engagierenwill, auch Anerkennung auszusprechen und damit gleichzeitig auchentsprechende, oft besondere Möglichkeiten im Rahmen seiner klinischenAusbildung einzuräumen. Dies ist nicht nur wichtig, um Forschung undKlinik bei sich jeweils professionalisierenden Ansätzen auf beiden Seitender einen Medaille „zusammenzuhalten“, sondern auch das Fach langfristigund selbstverständlich im Kanon der medizinischen Fächer im universitärenKontext zu positionieren. Die Alternative wäre eine rein klinische Versorgung,die auch für den Nachwuchs gegenüber den anderen medizinischen Disziplinendann weniger attraktiv wirken würde.Der harte nationale und internationale Wettbewerb um Forschungsmittelwird es erforderlich machen, die regionalen und überregionalen Forschungsverbündeauszubauen, Zentren zu gründen und auch wissenschaftspolitischsich stärker zu positionieren, um das Fach weiterhin wettbewerbsfähigzu halten bzw. die Möglichkeiten weiter auszubauen. Dies ist sicher nichtzuletzt auch eine Forderung der Patienten an die Chirurgie an sich. Die Chance,muskuloskeletale Kompetenz auf diesem Weg zu bündeln, um gemeinsamstärker auftreten zu können, wird durch das Zusammengehen mit derOrthopädie erleichtert. Nun gilt es, mit diesem Kapital zu „wuchern“, umdie Möglichkeiten sowohl für die Forschung <strong>als</strong> auch für das Fach an sich zumaximieren. Die Positionierung in muskuloskeletalen Zentren an den Fakultätenist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg!